Der israelisch-palästinensische Friedensprozess liegt im Wachkoma. Es kann Tage dauern, bis er seinen letzten Atemzug tut, oder noch Jahre. So wenig wie sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eine Friedenslösung herbeisehnen, so wenig liegt beiden an einem Ende der Verhandlungen. Am wenigsten Interesse daran hat jedoch die Siedlerbewegung. Ihr Traum von Großisrael, das sich vom Mittelmeer bis zum Jordan erstreckt, nimmt zunehmend Form an, während die Vision vom Staat Palästina verblasst.
Status quo heißt das Zauberwort für beide Seiten. Netanjahu klebt am Ist-Zustand, den sich auch sein Volk mehrheitlich wünscht. Nie war es so friedlich wie heute. Nur nicht dran rütteln, lautet die Devise. Während in Ägypten Hunderte Muslimbrüder auf den Galgen warten, die Hamas auf der Liste der Terrororganisationen landet und die ägyptischen Sicherheitskräfte die Tunnel zerstören, durch die einst Waffen nach Gaza geschmuggelt werden, herrscht in Israel Ruhe. Auch aus dem Norden, wo sich im Kampf um die Vorherrschaft in Damaskus Israels Feinde gegenseitig schwächen, droht auf absehbare Zeit keine Gefahr.
Akuten Handlungsbedarf gibt es für Israel ebenso wenig an palästinensischer Front. Niemand rechnet mit Massendemonstrationen oder neuer Gewalt, wohl wissend, dass die Palästinenser die Bomben leid sind, die sie dem eigenen Staat doch keinen Schritt näher brachten. Die Mehrheit der Israelis zieht zwar die Zweistaatenlösung einer Einstaatenlösung vor. So recht an einen Frieden glauben will man aber spätestens seit dem Gaza-Abzug 2005 nicht mehr. Der Abzug der israelischen Truppen und die Räumung der Siedlungen brachte die Islamisten an die Macht, und dann kam der Raketenbeschuss.
Im geteilten Palästina mangelt es der Hamas im Gazastreifen und Präsident Abbas im Westjordanland an demokratischer Legitimation. Ihre Amtszeiten sind lange überschritten und Wahlen bleiben illusorisch, solange die verfeindeten Parteien nicht zueinanderfinden. Abbas allein verfügt nicht über die politische Stärke, die nötig wäre, um dem Konflikt mit Israel ein Ende zu machen, um einer Grenze zwischen beiden Staaten zuzustimmen und das Rückkehrrecht fast aller Flüchtlinge aufzugeben. Der Status quo garantiert ihm vorerst das Überleben als Präsident und internationale Spendengelder, die den Regierungsapparat in Ramallah vor dem Zusammenbruch bewahren.
So bleibt augenscheinlich alles beim Alten. De facto jedoch verschiebt sich die Grenze nach Osten. Mit der Annexion noch unbewohnten palästinensischen Landes, mit jedem Neubau von Wohnungen für Israelis im besetzten Land, schrumpft Palästina. Immer schneller breiten sich die Siedlungen aus – auch und besonders in den letzten acht Monaten der Verhandlungen, die die Zweistaatenlösung zum Ziel hatten.
14 Jahre ist es her, als die USA mit ihrem Präsidenten Bill Clinton zum letzten Mal einen ernsthaften Vermittlungsversuch unternahmen. Noch einmal 14 Jahre ungehinderter Siedlungsbau im aktuellen Tempo, und die jüdische Bevölkerung im besetzten Land wird die Millionengrenze erreichen. Übrig vom Traum des legendären PLO-Chefs Jassir Arafat bliebe dann nicht mehr als eine palästinensische Republik Gazastreifen.