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Leitartikel: Historischer Durchbruch in Paris
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 16.01.2016 03:24 Uhr

Die UN-Klimagipfel haben längst ihre eigenen Rituale und Abläufe entwickelt. Natürlich enden sie nicht in der regulären Zeit, sondern gehen in die Verlängerung, natürlich wird bis zur allerletzten Sekunde um jedes einzelne Wort gefeilscht und selbstverständlich müssen sich die Delegationen pausenlos mit ihren Regierungen zu Hause abstimmen. Warum sollte es also in Paris anders zugehen als in all den Jahren zuvor?

Und doch war in Paris alles anders als in Kopenhagen, Cancun, Durban, Doha, Warschau oder Lima. Denn in der französischen Hauptstadt ging es zwei Wochen lang um alles oder nichts. Das Ziel, einen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll zu erarbeiten, in dem sich alle 196 Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention auf verbindliche Klimaziele verständigen, setzte die Delegationen unter enormen Druck. Um zu einem Erfolg zu kommen, musste der französische Verhandlungsführer, Außenminister Laurent Fabius, alle Register seines diplomatischen Könnens ziehen und bis zum Schluss Zugeständnisse machen, Kompromissformeln suchen und Veränderungen an dem Dokument vornehmen.

Doch die schier endlosen Verhandlungen und schlaflosen Nächte haben sich gelohnt. Das neue Klimaabkommen steht. Fabius, tatkräftig unterstützt von der hinter den Kulissen kräftig den Ausgleich zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern suchenden Bundesregierung, hat ein Dokument erarbeitet, dem alle Staaten zustimmen konnten, auch wenn es manchen Blockierern wie Saudi-Arabien sichtlich schwergefallen ist. Das ist eine historische Leistung, die weit über den Tag und das Jahr hinausreicht. Paris verändert die Welt, weil es die Klima- und die Wirtschaftspolitik radikal verändert. Vor allem aber ist es ein Signal der Hoffnung, dass der Mensch die Verantwortung für seinen Planeten übernimmt und zur Umkehr in der Lage ist. Das Zeitalter der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas und der Kohlenstoffökonomie geht unweigerlich zu Ende.

Natürlich kann man mäkeln, dass der Pariser Kompromiss an manchen Stellen zu unverbindlich, zu weich und zu großzügig ausgefallen ist und es angesichts der Dramatik noch immer zu langsam geht. Die von den einzelnen Staaten gemeldeten Reduktionsziele reichen bei weitem nicht aus, um den Anstieg der Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, das Zwei-Grad-Ziel wiederum wird die vom Untergang bedrohten Inselvölker des Pazifiks nicht retten, und die Zusagen der Industriestaaten für das Finanzpaket sind nicht einklagbar. Das ist bedauerlich.

Entscheidend aber ist etwas anderes: Paris setzt einen Prozess in Gang, der nicht mehr umkehrbar ist, sondern den Keim für weitere deutliche Verschärfungen in sich birgt. Das 1,5-Grad-Ziel wird bereits genannt, die Selbstverpflichtungen der Länder werden regelmäßig überprüft und notfalls korrigiert. Der Weg ist das Ziel, der Druck, die Emissionen stärker als vereinbart zu senken, wächst, die Bremser stehen am Pranger. Und es gibt weitere Entwicklungen, die Mut machen: In China und Indien werden es die Menschen auf Dauer nicht mehr hinnehmen, dass sie im Smog ersticken. Und auch in der Wirtschaft selber findet ein Umdenkungsprozess statt. Wer heute neue Technologien entwickelt, ist morgen der Marktführer. Wir haben nur einen Planeten. Ihn gilt es zu bewahren. Das ist die Botschaft von Paris, kurz vor Weihnachten.

 
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