zurück
Leitartikel: Griechen haben genug Opfer gebracht
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 04.06.2016 03:34 Uhr

Krisen-Sitzungen über die Zukunft Griechenlands gehören seit fast sieben Jahren zum politischen Alltag Brüssels. Und doch scheint nun ein Punkt erreicht, an dem mehr geschieht, als die dauernde Spirale aus Forderung der Geldgeber und verzweifeltem Gehorsam der griechischen Politik noch weiter zu drehen. Athen hat geliefert, darüber gab es am Dienstag bei den Euro-Finanzministern keinen Zweifel. Aber inzwischen hat der Internationale Währungsfonds auch die Geberseite weichgeklopft. Denn seit langem war absehbar: Der gewaltige Schuldenberg, der das Land drückt, ist selbst mit vernünftigem Sparen und erfolgreichem Wirtschaften allein nicht in den Griff zu kriegen.

Dass die Euro-Partner in den sauren Apfel beißen und die Schulden – wenn schon nicht abschreiben – dann doch wenigstens stunden müssten, schälte sich immer klarer heraus. Genau genommen hatten sich Deutschland und die anderen, die den Druck zum Sparen auf Athen verteidigten, selbst ein Bein gestellt. Denn sie waren es, die den Internationalen Währungsfonds gerade wegen seiner weithin bekannten Härte in den Verhandlungen immer dabeihaben wollten. Dass sich der IWF mit der Forderung nach Schuldenerleichterungen bedanken würde, konnte man wissen.

Wie anders soll ein Land, dessen Renten im Vergleich zu 2008 um nahezu 45 Prozent gekürzt wurden, dessen Bruttoinlandsprodukt im gleichen Zeitraum um 27 Prozent zurückging, noch auf einen grünen Zweig kommen?

Dass die Finanzminister stellvertretend für ihre Regierung einen Nachlass der Schulden scheuten, ist verständlich. Sie dürfen gegenüber der eigenen Bevölkerung nicht den Eindruck riskieren, man müsse öffentlich gegebene Bürgschaftsversprechen am Ende einlösen. Was nur eine vornehme Umschreibung dafür sein dürfte, dass das Geld verloren ist. Insofern bleibt der Versuch des IWF, mit extrem langen Laufzeiten und nochmals gesenkten Zinsen einen Ausweg zu finden, sogar noch ein Brückenschlag, den am Schluss nicht einmal mehr Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zurückweisen wollte. Seine Forderung, endgültig erst 2018 über einen solchen Schritt zu entscheiden, erscheint wie Kosmetik. Im Grunde wissen die 18 Partner Athens, dass kein Weg um eine solche kreative Bearbeitung der Schulden herumführt, die kein Verzicht und kein Schnitt sein kann, aber genauso wirkt.

Dass Athen in den kommenden Wochen die nächste Tranche aus dem dritten Rettungspaket überwiesen wird, dürfte klar sein. Doch das Geld hält nicht lange. Es ist für Verbindlichkeiten im Juli bereits eingeplant. Damit steht fest, dass sowohl die EU wie auch die Euro-Familie einiges mehr tun müssen, um das zumindest in den Konjunkturprognosen bereits eingestellte Wirtschaftswachstum für 2017 von immerhin 2,7 Prozent auch zu erreichen. Denn niemand sollte sich etwas vormachen: Premier Alexis Tsipras hat mit Versprechungen und Drängen am Sonntag zum vorerst letzten Mal eine Mehrheit für Forderungen der Geldgeber aus dem griechischen Parlament herausgequetscht. Nichts braucht das Land mehr als die Gewissheit, dass sich diese Opfer lohnen. Jetzt müssen Brüssel und die Partner Griechenlands zeigen, dass es tatsächlich Unternehmen gibt, die zurückkehren, die Jobs schaffen, die Steuern und Sozialabgaben generieren. Nach dem Sparen ist Fördern angesagt.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Detlef Drewes
Alexis Tsipras
Griechisches Parlament
Internationaler Währungsfonds
Wolfgang Schäuble
Währungsfonds
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • R. G.
    was ich nicht verstehe, ist das man die griechen zwingt, ihr tafelsilber zu verkaufen, wie beispielsweise einen geldbringenden hafen. wo sollen die griechen künftig einnahmen herkommen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten