Liebe übertrumpft den Hass“: Das ist das inoffizielle Motto des Demokratenparteitags in Philadelphia. Es ist nicht nur eine Reminiszenz an die „City of Brotherly Love“ und ein Wortspiel mit dem Namen des streitbaren republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Vor Ort soll der Spruch ganz konkret dabei helfen, die durch den Vorwahlkampf entstandenen Gräben in der eigenen Partei zuzuschütten. Vorderhand herrscht Partystimmung und es sieht aus, als könnte sich die Mehrheit der Bernie-Sanders-Anhänger früher oder später hinter Hillary Clinton versammeln. Ob aus der historischen Nominierung tatsächlich die Wahl zur ersten Präsidentin der USA werden kann, entscheiden am Ende aber weniger Clintons zahlreiche wortgewaltige Helfer als die Kandidatin selbst.
Philadelphia ist nicht nur Stadt der Liebe, sondern auch Gründungsmetropole der USA, und die Demokraten appellieren an beide Ansprüche: Angesichts eines republikanischen Kandidaten, der auf Ausgrenzung und Individualismus setzt, betonen sie die Grundprinzipien der Gleichheit und Solidarität. Mehrere der besten Auftritte werden von Frauen absolviert, allen voran Michelle Obama, deren gefeierte Rede viele inzwischen mit dem Beiwort historisch versehen.
Die Präsidentengattin berichtete von ihren beiden Töchtern und sagte: „Diese Wahl – jede Wahl – dreht sich um die Frage, wer unsere Kinder in den nächsten acht Jahren formt und beeinflusst.“ Sie verurteilte „die hasserfüllte Sprache, die wir von Personen der Öffentlichkeit im Fernsehen hören“, ging aber nicht direkt auf Trumps groben Wahlkampfstil ein. Das erledigte Comedian Sarah Silverman: „Da sagt jemand: Ich bin emotional immer noch auf dem Stand eines Vierjährigen und werfe aus einem vergoldeten Sandkasten mit Schimpfworten um mich, weil ich statt menschlicher Zuwendung nur Geld bekommen habe.“
Das Programm bietet mehr Starpower als der von Boykotten geplagte Republikaner-Gipfel in Cleveland, aber auch mehr Substanz: Es geht um konkrete Probleme und um konkrete Lösungsvorschläge. Statt eines düsteren Fatalismus gibt es Aufbruchstimmung und klare Ziele. Anstelle von Drohungen gegen Immigranten, Muslime oder Schwarze bittet Bill Clinton sie alle, für eine Alternative zu kämpfen.
Mit der Wahl ihres Vizekandidaten Tim Kaine hat Hillary Clinton ihre Kampagne noch mehr als Kompetenzteam ausgerichtet als ohnehin schon – ein klarer Kontrast zum Außenseiter-Image, mit dem Trump punkten möchte. Das wäre unter normalen Umständen genauso vielversprechend wie die gewinnende Atmosphäre dieses Parteitags: Er wirkt attraktiver als die konservative Konkurrenzveranstaltung in der Woche zuvor – bunt, vielfältig und optimistisch statt aggressiv. Tatsächlich hat Trump in jüngsten Umfragen nach seinem inhaltsarmen Konvent unter gebildeten Wählern verloren. Insgesamt sind seine Werte aber gestiegen.
Das ist besonders bedrohlich für eine Kandidatin, deren persönliche Beliebtheit unterirdisch ist. Am gestrigen Mittwoch sollten Präsident Barack Obama und sein Vize Joe Biden für sie werben. An beliebten, glänzenden Rednern herrscht kein Mangel auf diesem Parteitag. Die höchste Hürde muss Clinton allerdings selbst nehmen: Die 68-Jährige ist vor großem Publikum keine gute Performerin. Eine Meisterrede am Donnerstag könnte zum Befreiungsschlag werden, ein schiefer Tonfall die Opposition wieder beleben.