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Leitartikel: Für Folter gibt es keine Rechtfertigung
Dr. Jens Schmitz
Jens Schmitz
 |  aktualisiert: 10.12.2014 18:49 Uhr

Ist die US-Folter-Debatte nun vorbei? Mit Sicherheit nicht. Was Demokraten im Senat zu ehemaligen Verhörpraktiken im Anti-Terror-Kampf zusammengetragen haben, ist eindrucksvoll, aber auch angreifbar, zumindest im Detail. An der Grundaussage dagegen bestand schon zuvor kein Zweifel: Gegen El-Kaida haben die USA zu Methoden gegriffen, die nicht nur der Rest der Welt als Folter bezeichnet, sondern auch ihr heutiger Präsident.

Dass ein Land ein so sensibles Thema schon zehn Jahre später aufarbeitet, ist sehr selten, das darf man in diesem Zusammenhang durchaus anerkennen. Dennoch gibt es an der aktuellen Diskussion einen verstörenden Aspekt: das hohe Gewicht, das der Frage zugemessen wird, ob die Methoden erfolgreich waren. Für viele Menschen scheint sich die Legitimität von Folter an ihren Ergebnissen zu entscheiden, nicht an moralischen Kriterien. Wenn Folter Leben rettet, ist sie dann legitim?

In Deutschland ist diese Frage nicht unbekannt. 2002 ließ der Frankfurter Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner den festgenommenen Magnus Gäfgen mit Folter bedrohen, um den entführten Bankierssohn Jakob von Metzler zu retten. Zur Gewaltanwendung kam es nicht, weil Gäfgen zuvor einknickte, der Junge war aber schon tot. Viele Menschen fanden damals, Daschner dürfe für seinen Versuch nicht bestraft werden. Er wurde wegen Nötigung im Amt verurteilt.

Die Verfechter der „Enhanced Interrogations“ in den USA machen ein ähnliches Argument geltend: 2001 waren beim Anschlag auf das World Trade Center 3000 Menschen ums Leben gekommen; es war bekannt, dass El-Kaida weitere Anschläge plante. Aus Sicht der Verantwortlichen stand die Menschenwürde wichtiger Informationsträger gegen das Leben Tausender Unschuldiger.

Das ist weder eine leichte Entscheidung noch eine, angesichts derer Außenstehende überheblich werden sollten. Allerdings gibt es Schritte, die so weitreichend sind, dass sie einen Dammbruch bedeuten, wenn die Gesellschaft sie billigt. Der Griff zur Folter gehört dazu – wo sie als letztes Mittel akzeptiert ist, da erodieren auch nachfolgende Grenzen.

Möglich, dass Menschen in Ausnahmesituationen für sich zu dem Schluss kommen, sie müssten sie trotzdem anwenden. Diese Entscheidung müssen sie dann allein vertreten – Daschner dokumentierte seine Drohung 2002, er ging sehenden Auges in sein Verderben. Bei der CIA gibt es bis heute keine klaren Verantwortlichkeiten. Dass sie die heikelsten Verhöre nicht einmal selbst führte, sondern nach außen vergab, ist ungeheuerlich. Beunruhigend für die Zukunft bleibt zudem, dass nicht einmal Verstöße gegen die eigenen Regeln transparent geahndet wurden.

Die US-Verfassung verbietet jede Form von Folter, international hat das Land entsprechende Konventionen unterschrieben. Nicht nur Amerikaner haben Schwierigkeiten zu verstehen, warum man sich daran im Kampf gegen einen Gegner gebunden fühlen soll, dem sie nichts bedeuten. Die Antwort ist kurz: Weil eine demokratische Gesellschaft, die anfängt, die Menschenwürde zu teilen, ihre eigenen Fundamente untergräbt. Das ist eine wichtige Erkenntnis, aber keine einfache. Wer sie ernst nehmen will, muss bereit sein, der Rechtssicherheit im Zweifel Menschenleben zu opfern.

 
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