Die jüngsten Pläne der Regierung wusste Marion Maréchal-Le Pen bestens für sich zu nutzen. Medienwirksam erklärte die Abgeordnete des Front National, sie stelle sich dem Militär als freiwillige Reservistin zur Verfügung – um gegenüber ihren Wählern und jenen, die es noch werden sollen, „Patriotismus“ zu beweisen.
Indem die sozialistische Regierung bis 2019 eine Nationalgarde mit 84 000 Reservisten aufbauen will, greift sie ausgerechnet eine alte Forderung der französischen Rechtsextremen auf. Eine sehr symbolische noch dazu – dabei dürfte sie kaum die ständige Terrorgefahr eindämmen.
Sicher ist es hilfreich, wenn die Mitglieder aus dem Militär und der Polizei wie aus der Bevölkerung die stark beanspruchten Sicherheitskräfte entlasten. Auch geht es darum, die Menschen miteinzubeziehen und ein Gefühl der „nationalen Einheit“ gegenüber der unkontrollierbaren Bedrohung zu schaffen. Ohnehin brüchig, bekam diese weitere Risse durch die jüngsten Anschläge – erst in Nizza, wo ein Mann am Steuer eines Lastwagens 85 Menschen tötete, dann in einer katholischen Kirche bei Rouen, wo zwei Fanatiker einen Priester ermordeten. Die Menschen fragen sich, ob und wie die Regierung sie gegen solchen Horror schützen kann.
Diese steht unter großem Druck, auch durch die scharfen Angriffe der konservativen und rechtsextremen Opposition – und weiß zugleich, dass die Wirkung schneller Reaktionen begrenzt ist. Weil die Probleme tiefer liegen.
Schon nach den Anschlägen im Januar 2015 auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt wurden neue Antiterror-Gesetze mit mehr Befugnissen für die Geheimdienste beschlossen; dauerhaft gilt die höchste Terrorwarnstufe. Seit der blutigen Attentatsserie am 13. November auf mehrere Pariser Bars und Restaurants, die Konzerthalle „Bataclan“ und das Fußballstadion in Saint-Denis herrscht der Ausnahmezustand. Er wurde nach dem Schock von Nizza erneut verlängert – um sechs Monate. Das erlaubt es Ermittlern, ohne richterlichen Beschluss Wohnungen zu durchsuchen, Computer und Mobiltelefone zu beschlagnahmen und Daten zu kopieren. Die Warnungen von Menschenrechtsorganisationen verklingen ungehört – der Rechtsstaat kippt.
Je öfter Frankreich angegriffen wird, desto autoritärer klingt die Antwort der Regierung, die in ihrem „Krieg gegen den Terrorismus“ das Sicherheitsarsenal ständig ausweitet. Zwar bewegt sie mehrere Hebel und bemüht sich etwa, mit der Neuorganisation des „Islam von Frankreich“ und der Ausbildung von Imamen Wege zu gehen, die die rund sechs Millionen Muslime im Land miteinbeziehen, statt sie zu stigmatisieren.
Doch der „Kampf“ muss sich auch gegen den sozialen Ausschluss richten, gegen mangelnde Bildung, Rassismus und Armut – denn ihre hoffnungslose Situation lässt mäßig integrierte junge Männer zu brutalen Terroristen heranwachsen. Zwar ist es in Frankreich wenig populär, die Anschläge auch als Folge fehlender Chancengleichheit zu sehen. Doch zu verstehen, warum die Täter ihren blindwütigen Hass gegen die Gesellschaft entwickeln, in der sie leben, erscheint für eine Ursachenbekämpfung unumgänglich. Nur immer mehr Patrouillen in den Straßen reichen ebenso wenig aus wie eine zahlenmäßig beeindruckende Nationalgarde.