Der Showdown über die Zukunft des Vereinigten Königreichs fällt auf einen Samstag. Am 19. Oktober sollen die britischen Abgeordneten zusammenkommen, um – keine zwei Wochen vor dem offiziellen Austrittstermin des Landes aus der EU am 31. Oktober – in einer Sondersitzung zu entscheiden, wie es weitergeht. Es dürfte hässlich werden. Dabei sehen viele Beobachter bereits jetzt einen neuen Tiefpunkt im Brexit-Drama: Selbst britische Europaskeptiker haben irritiert reagiert, als Downing Street nach einem Telefonat mit Angela Merkel verbreiten ließ, dass eine Einigung im Brexit-Streit „im Grunde jetzt und auf lange Zeit unmöglich“ geworden sei.
Angeblich habe die Bundeskanzlerin einen Deal für „überaus unwahrscheinlich“ erklärt. Der Grund: Die EU fordere, dass Nordirland in der Zollunion bleibe, um eine harte Grenze zu vermeiden. London lehnt das kategorisch ab.
Der Ton in der Inszenierung des Scheiterns schockiert
Inzwischen hat die finale Schlacht um die Frage begonnen, wer verantwortlich zeichnet, sollte das Königreich am Ende ohne Abkommen aus der Staatengemeinschaft scheiden. Die Briten haben den Ton auf eine Weise verschärft, die zwar nicht überrascht, aber trotzdem schockiert. Der Sündenbock für das inszenierte Scheitern der Verhandlungen ist demnach – zumindest diese Woche – Deutschland, das den Brextremisten zufolge nun offen zeigt, was es stets im Sinne hatte: Berlin wolle die stolzen Briten mit dem umstrittenen Backstop, der Garantieklausel für eine unbefestigte Grenze auf der irischen Insel, unterwerfen.
Boris Johnson – und vor allem sein Chefberater Dominic Cummings – gießen unaufhörlich und mit Absicht Öl ins Feuer. Sie schielen auf baldige Neuwahlen, bei denen sie die frustrierten Europaskeptiker einfangen wollen, denen die Sache mit dem Austritt schon viel zu lange dauert. Die Kernbotschaft, mit der Johnsons Team die Kampagne im Grunde mit seinem Amtsantritt eingeleitet hat: London tut alles, um ein Abkommen zu erreichen. Brüssel dagegen wollte noch nie einen Deal. Ignoriert wird dabei, dass die britischen Forderungen alle roten Linien der EU überschreiten.
Boris Johnson beharrt auf dem Austrittstermin 31. Oktober
Es steht nicht gut drei Wochen vor dem Stichtag. Boris Johnson lehnt es vehement ab, um eine Verlängerung der Scheidungsfrist zu bitten. Im Notfall würde er das Königreich lieber ohne Vertrag aus der EU führen, sagt er gebetsmühlenhaft. Der Widerstand im Parlament aber ist groß, die Abgeordneten haben ja erst kürzlich ein No-No-Deal-Gesetz verabschiedet. Findet Hardliner Johnson ein Schlupfloch? Dass er beispielsweise jemand anderen das offizielle Gesuch an Brüssel schreiben lässt und dann als Vertreter des sich verraten fühlenden Brexit-Volks mit dem No-Deal-Ticket in den Wahlkampf zieht?
Sofern sich die EU 27 auf Drängen der Republik Irland weiter einem Deal verweigere, heißt es, werde das Königreich so oder so ohne Abkommen ausscheiden – wenn nicht am 31. Oktober, dann nach der nächsten Wahl, die vermutlich noch in diesem Jahr stattfindet. Boris Johnsons Chancen stehen keineswegs schlecht, mit dem Versprechen zu gewinnen, den sofortigen Austritt herbeizuführen.
Gleichwohl hallt die Warnung klar über den Ärmelkanal, wie eine öffentlich gewordene Textnachricht aus der Downing Street zeigt: Die EU 27 „glauben jetzt, dass wir mit neuen Vorschlägen zurückkommen, wenn es eine weitere Verlängerung gibt“. Das aber werde nicht passieren. Die scharfen Drohungen sind sicher nur der Anfang für das, was in den nächsten Wochen folgen wird.