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Leitartikel: Familiensplitting mit der SPD
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 16.11.2015 03:45 Uhr

Ein gerechteres Steuersystem – der jüngste Vorstoß kommt von der SPD. Die stellvertretende Parteivorsitzende und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat einen vom Vorstand beschlossenen Antrag für den Parteitag im Dezember vorgestellt. Er sieht vor, Familien mit Kindern steuerlich besserzustellen. Ein „sozialdemokratisches Familiensplitting“ soll das ursprüngliche, in die Jahre gekommene Ehegattensplitting ersetzen. Der Vorstoß geht in die richtige Richtung, allzu forsch vorgetragen ist er freilich nicht. Auch die SPD sorgt sich um die Reaktion von Millionen verheirateter Wähler, die um ihre steuerlichen Vorteile fürchten.

Das Ehegattensplitting gilt seit 1958 ausschließlich für verheiratete Paare. Unabhängig davon, ob die Eheleute Kinder haben oder nicht. Das gesamte zu versteuernde Einkommen der Partner wird halbiert und die darauf entfallende Einkommensteuer verdoppelt. Das sorgt dafür, dass die Steuerschuld der Ehepartner unabhängig ist von der Verteilung des Einkommens zwischen ihnen. Der Spareffekt ist umso höher, je unterschiedlicher die Einkommen sind.

Längst wird die geltende Regelung der Lebenswirklichkeit nicht mehr gerecht. Die Gesellschaft hat sich gewandelt und wird sich weiter wandeln. Immer weniger Kinder werden in Ehen geboren, im Osten der Republik sind drei von vier Erstgeborenen außerehelich. Es leben weit mehr Menschen ohne Trauschein zusammen als früher, auch die Zahl der Alleinerziehenden ist gestiegen, auf heute 2,7 Millionen. Und noch etwas: Nur in acht von 18 Millionen Ehen leben überhaupt Kinder. Kinderlose Eheleute können in der Regel länger arbeiten und mehr verdienen. Ihre Karriere weist keinen durch Erziehungszeiten verursachten Knick auf.

Wohl ist die Ehe eine gute Möglichkeit, dass sich Partner zu gegenseitiger Verantwortung verpflichten. Aber der Gang zum Standesamt ist keine echte Leistung, die eine steuerliche Besserstellung rechtfertigt. Vernünftigerweise sollten nur noch die entlastet werden, die mit Kindern die Gesellschaft stärken – und dabei oft große Einbußen in Kauf nehmen. Das Steuerrecht muss Kinder fördern, wo immer und egal, bei wem sie aufwachsen. Der Plan der Sozialdemokraten trägt dem Rechnung. Die Neuregelung soll sich an der Kinderzahl, nicht an der Beziehungsform orientieren.

Steuern sparen darf nicht mehr im Standesamt anfangen. Das klingt gut, nur sind alle Vorstöße in diese Richtung kläglich gescheitert, zuletzt jener der Grünen. Nicht nur die Realos unter ihnen räumen ein, dass das magere Ergebnis bei der Bundestagswahl 2013 wesentlich aufs grüne Steuerkonzept zurückzuführen war. Die SPD geht jetzt deutlich vorsichtiger zur Sache – und in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter haben in mehreren Urteilen festgeschrieben, dass an den Grundprinzipien des Ehegattensplittings nichts geändert werden darf. Das SPD-Konzept sieht nun eine Art Bestandsschutz vor. Wer vor der Neuregelung – sollte sie denn kommen – schon verheiratet war, soll den Steuervorteil des Ehegattensplittings weiter nutzen können. Beide Modelle könnten nebeneinander bestehen bleiben, bis das alte Modell ausstirbt.

Realistisch oder halbherzig? Egal, die Sozialdemokraten dürften den Plan gegen die Union nicht durchsetzen können. Immerhin macht er sich auch im SPD-Programm gut.

 
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  • L. W.
    kommt die gerechte Besteuerung von Familien. Frankreich hat dieses Modell des Familiensplittings schon lange und vermutlich ist es mit ein Grund, dass dort mehr Kinder pro Familie leben. Jetzt muss sich nur noch die Union überzeugen lassen, dass das Ehegattensplitting ein Anachronismus ist und eben auch familienfeindlich. Der derzeitige Kinderfreibetrag ist bei weitem keine Ersatz für ein Familiensplitting und zementiert ja leider das Ehegattensplitting.
    Gleichzeitig könnte mit einer Reform des Einkommensteuerrechts zum Familiensplitting das Prozedere der Steuererklärung vereinfacht werden, was an und für sich schon lobenswert wäre.
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