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Leitartikel: Es geht um die Zukunft der Sozialdemokratie
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 25.11.2019 02:11 Uhr

Für die SPD fällt in dieser Woche weit mehr als nur eine Vorentscheidung über den künftigen Parteivorsitz. Es geht, mal wieder, um nichts weniger als die Zukunft der Sozialdemokratie. Denn am kommenden Samstag wird klar sein, welche zwei Kandidatenpaare in die Stichwahl um den Parteivorsitz gehen werden. Dass eines der sechs Duos gleich auf Anhieb die vorgeschriebene absolute Mehrheit der Mitgliederstimmen holt, ist ja so gut wie ausgeschlossen.

Folgendes Szenario ist dabei durchaus denkbar: In die Stichwahl gehen gleich zwei der Bewerberteams, die sich in den Regionalkonferenzen zuvor mehr oder minder deutlich für einen Ausstieg aus der Großen Koalition ausgesprochen haben. Beim populären linken Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken ist das der Fall.

Christina Kampmann und Michael Roth wollen die GroKo überwinden, aber vielleicht nicht sofort. Nina Scheer und Karl Lauterbach haben sich ebenso gegen die GroKo positioniert wie Ralf Stegner und Gesine Schwan, auch wenn diese beiden Paare nicht zu den Favoriten gezählt werden. Trotzdem ist es keineswegs ausgeschlossen, dass die konservativeren Bewerberduos Boris Pistorius und Petra Köpping sowie Olaf Scholz und Klara Geywitz das Stechen verpassen.

Hoffen auf eine Erneuerung in der Opposition

In diesem Fall würde für die amtierende Bundesregierung laut das Totenglöckchen läuten. Die GroKo-Gegner unter den Sozialdemokraten hätten erreicht, was sie praktisch seit Eintritt in die Regierung mit der Union fordern. Auf den Jubel könnte freilich schnell die harte Landung in der Realität folgen. Es gibt nämlich keinerlei Belege für die These, dass die seit Jahren in der Wählergunst schwächelnde SPD in der Opposition, und nur dort, ihr Comeback schaffen wird. Ob nun gleich neu gewählt würde oder erst in zwei Jahren, den Bürgern gegenüber hätten die Genossen im Wahlkampf denkbar schlechte Argumente. Wer wählt schon eine Partei, die sich solche Mühe gibt, zu zeigen, dass sie gar nicht regieren will. Sondern sich am liebsten ein paar Jahre mit sich selbst beschäftigen und in der Opposition „regenerieren“ will.

Das Schmieden von Bündnissen wird schwieriger

Nun ist eine Große Koalition, gerade über einen längeren Zeitraum, sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Auch die Union hätte sich ja durchaus lieber mit FDP und Grünen zur Jamaika-Koalition zusammengeschlossen, als aufs Neue mit der SPD zu paktieren. Die Umstände ließen aber nichts anderes zu. Zu diesen Umständen zählt auch das Erstarken der AfD, mit der keine andere Partei koalieren würde. Das bedeutet automatisch, dass Bündnisse schwieriger werden und von den Beteiligten mehr Flexibilität erfordern.

Es scheint zudem bei vielen SPD-Funktionären in Vergessenheit geraten zu sein, dass die Parteibasis den Gang in die GroKo mit einer annähernden Zweidrittelmehrheit abgesegnet hat. Im Koalitionsvertrag finden sich zudem sozialdemokratische Herzensprojekte, die vor einigen Jahren noch kaum durchsetzbar schienen. Nach einem mäßigen Wahlergebnis überhaupt an die Regierung zu gelangen und dann noch ziemlich viel für die eigenen Wähler herauszuholen, ist ein toller Erfolg.

Die SPD hat es durch den ständigen GroKo-Streit versäumt, das Erreichte entsprechend positiv darzustellen. Ständig mäkelte irgendwer in der Partei darüber, dass noch viel mehr hätte durchgeboxt werden müssen. Lausige Umfragewerte sind die Folge. Wenn nun wie vereinbart die Halbzeitbilanz der Regierung gezogen wird, dürfte wieder die Stunde der Kritiker kommen. Die Stimmen der Vernunft würden sich noch schwerer tun, falls durch die Wahl der neuen Vorsitzenden schon der GroKo-Austritt vorgezeichnet wäre.

 
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