Zehn Jahre ist es her, seit die USA mit einer Mission in den Krieg zogen. Der Krieg gegen den Irak oder vielmehr Saddam Hussein stellte das westliche Bündnis vor die schlimmste Zerreißprobe seiner Geschichte. Obwohl so kurze Zeit vergangen ist, reibt man sich die Augen, wie alles passieren konnte. Angesichts der Lügen, die von der US-Regierung als Grund aufgetischt und von US-Bürgern, Alliierten und der sonst so kritischen US-Presse bereitwillig akzeptiert wurden, scheint das schier unvorstellbar.
Wie derzeit im Zusammenhang mit dem ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ über das Verstehen von Geschichte aus der Zeit heraus diskutiert wird, lässt sich wohl auch der Irak-Krieg nur so verstehen. Es waren die Jahre, in denen der 11. September 2001 sich als tiefgreifender Einschnitt herausstellte, als Zeitenwende. Zeitgeschichtler interpretieren, dass erst durch diesen Terroranschlag deutlich wurde, wie sehr der Kalte Krieg die Welt nicht nur geprägt, sondern auch stabilisiert hatte.
So wollte die US-Regierung mit Vordenkern, die in Zeiten des Kalten Krieges hängen geblieben waren, gestrige Politikkonzepte umsetzen, ohne Rücksicht auf Verluste. Einen zweitklassigen Diktator zu entmachten, waren Spielwiesen von Weltmächten im Kalten Krieg. Die Sowjets hatten Gleiches in Afghanistan 1979 begonnen, die USA hatten sich mehrfach in Lateinamerika (Iran-Contra Affäre, El Salvador) als Königsmacher- oder -mörder versucht. Allen diesen „Projekten“ der Supermächte gemeinsam ist, dass zerstörte Staaten und traumatisierte Menschen zurückblieben. In Afghanistan konnten islamistische Guerillas die Keimzelle für den Terror legen, der die Welt heute in Atem hält.
Weit von einem Staatswesen ist auch der Irak entfernt, die Intervention der USA hat nur Verlierer hinterlassen. Über hunderttausend Menschen wurden getötet, die USA haben ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt und sind gelähmt durch die rund 2,2 Billionen Kosten des völkerrechts- und verfassungswidrigen Krieges. Und ausgerechnet die USA gaben dem Irak Raum, zur Regionalmacht heranzuwachsen.
Man muss sich in Deutschland gar nicht in die Brust werfen, dass man dem immensen Druck widerstand und nicht mitging auf diesem falschen Weg. Es ist eher ein Beweis, wie sehr Geschichte von Personen und Umständen abhängt. SPD-Kanzler Gerhard Schröder wollte wegen eines unpopulären Krieges nicht die Wahl verlieren, kompromisslos war Außenminister Joschka Fischer, der dem US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und seinen Kriegsgründen entgegenhielt: „Ich bin nicht überzeugt.“ In der Diplomatie ein Tabu. Zur Erinnerung: CDU-Chefin Angela Merkel nützte die Stimmung, um sich als bessere Verbündete anzudienen, die die „Freunde“ nicht hängen gelassen hätte.
Wegen des Irakkriegs und seiner Nachwehen muss der Westen heute regionale Konflikte sich selbst überlassen, während Russen und Chinesen aktiv mittun. Der Stabilität der Welt oder von Brennpunkten dient dieses verschobene Gleichgewicht nicht. Längst ist der verwegene Traum der Bush-Regierung vom Exportschlager „Demokratie“ ausgeträumt. Heute hat wirtschaftlicher Imperialismus den Vorrang vor Waffen oder Idealen. Dabei sind die Deutschen mit im Spiel. Die Folgen sind nicht weniger gravierend. Nur nicht so rasch so offensichtlich.