Dem Wahlkampf fehlte es an Aufregern. Doch zuletzt schlug die Ruhe ins Gegenteil um. Der Grund: Im Rahmen der Aufklärung der grünen Vergangenheit zur Legalisierung von gewaltlosem Sex mit Kindern ist ein Kommunalwahlprogramm aufgetaucht, für das der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin als „Verantwortlicher im Sinn des Presserechts“ zeichnet.
Jedes Plakat muss einen solchen Verantwortlichen ausweisen. Nun war es damals Trittin, heute ein prominenter Politiker. Das müsste ein gefundenes Fressen im Wahlkampfendspurt sein, doch nach hohen Wellen und Rücktrittsforderungen aus der CSU ist es ruhig geworden.
In Internetforen tobt wie immer der Volkszorn, diesmal gegen die Grünen. Jürgen Trittin wird ungestraft als Pädophiler beschimpft. Er ist für diese Bösartigkeit keine überraschende Zielscheibe. Es trifft einen, der selbst gern den Moralapostel spielt. Trittin steht modellhaft für den intellektuellen Dünkel und die Besserwisserei, die die Grünen für manche zum Feindbild machen. Man muss ihn nicht mögen, aber dennoch ist er frei vom Verdacht, Pädophilie jemals legitimieren zu wollen.
In besagten Internetforen wird dennoch gemutmaßt, die Medien hielten aus Gunst ihre schützende Hand über ihn und spielten das Thema herunter, statt die vermeintliche Stimmung wiederzugeben. Ist das so? Eine Verschwörung zum Schutz der Grünen, wo Politiker der Union gekreuzigt worden wären.
Einen der Gründe, warum die öffentliche Aufregung so abgeebbt ist, konnte man in der Talkshow „Anne Will“ beobachten. Gefragt nach der Causa Trittin und pädophilen Tendenzen in grünen Programmen, wurden die keifenden Wahlkämpfer still. Im Gegenteil, man sprach der sichtlich mit ihrer Fassung kämpfenden Grünen Renate Künast Respekt für die Aufarbeitung aus. Keiner wollte mehr die Wahlkampfkeule schwingen.
Ähnlich geht es vielen Menschen. Natürlich ist es ein Unding, dass Pädophilen-Gruppen versuchten, ihr widerliches Verlangen in Parteien verankert zu sehen. Auch liberale Jungorganisationen sollten dafür herhalten. Doch Kindesmissbrauch ist ein sensibler Bereich, der rabiaten Umgang nicht verträgt. Vielleicht hat es ein wirklich ernstes Thema mit fürs Leben geschädigten Menschen gebraucht, um der geölten Spektakel- und Skandalmaschine Einhalt zu gebieten.
Eröffnet wurden diese Jagdkampagnen mit den Doktorarbeiten. Bisher funktionierte dieser Mechanismus bei im Vergleich harmlosen Plagiatsvorwürfen, weil die Betroffenen nicht zu ihren Fehlern standen. Es ist müßig zu spekulieren, ob ein Karl-Theodor zu Guttenberg zwar als Minister unhaltbar gewesen wäre, aber mit weniger als einem fast lebenslänglichen Politikverbot davongekommen wäre.
Vieles ist im Fall der Grünen anders. Sie haben die Aufarbeitung ihrer Vergangenheit selbst in Auftrag gegeben. Es könnte ein Lehrstück für den Umgang von Politik und Politikern mit ihren Biografien werden. Und für die Medien ein Anlass, ein Stück weit der Lust am Skandal und Zerstören abzuschwören. Auch wenn es manchmal schwerfällt und das Tempo im Teufelskreis aus Vorwürfen, politischen Vorteilen und fetten Schlagzeilen atemberaubend hoch ist. Die große Empörung sollte Fällen vorbehalten sein, in denen es tatsächlich um Schwerverbrechen geht. Bei Jürgen Trittin ist das nicht der Fall.
Im Grunde duckt man sich jetzt weg, wird ein bisschen aufklären, wird akzentuiert ein bisschen entschädigen, dafür aber viel relativieren und den Fokus auf andere Themen lenken wollen.
Das Verhalten ist kaum zu unterscheiden von dem, was diese Herrschaften bei der Nachkriegsgeneration kritisierten.
Wie wollen die Links-Grünen in dieser Form jemals wieder bei ihren Wählern glaubhaft sein, es sei denn sie sind bereit einfach alles zu schlucken?
Eine Mutter mit Kind beschützt für gewöhnlich ihr Kind. Wählt die dann die Grünen mit ihrem Slogan "Jedem Fratz nen Krippenplatz!" - mit dieser ungeklärten Vergangenheit mit experimenteller "Pädagogik"?
Wird die nicht jetzt zum Fan von Betreuungsgeld, weil sie am besten weiß, was ganz unakademisch gut für ihr Kind ist?
Ohne Neuordnung haben die Grünen keine Zukunft - mein Tipp für Sonntag: 7,4%.
Vielleicht fragen ja die Grünen mal Daniel Cohn-Bendit: " Und Du? "
Aus der FAZ
Ich bin allerdings schon der Meinung, dass bei den Grünen eine ernsthafte Diskussion über Ziele, Personen und Führung der Wahlkämpfe stattfinden muss. Fakt ist, dass die westlichen Industrieländer ihre derzeitige Wirtschaftsweise wohl keine 20 Jahre mehr durchhalten, bevor diese durch zunehmende/ aggressive Konkurrenz um die Ressourcen und damit explodierende Rohstoffpreise ad absurdum geführt wird.
Oder soll das hier gehen nach dem Motto "schwarze Nachhaltigkeit, gute Nachhaltigkeit - grüne Nachhaltigkeit, schlechte Nachhaltigkeit"?
Ihrer Meinung kann wohl im Groben auch ein(e) "Schwarze(r)" durchaus zustimmen.
Das Ganze hat aber doch noch eine für Trittin weit relevantere Dimension: Es trifft einen Mann, der bei (teils auch nur vermeintlichen) Verfehlungen anderer - vornehm lich aus den Reihen der C-Parteien und der FDP - immer den Saubermann von der ersten Bank und einen der lautesten Moralisierer gab. Er müßte m.E. schon überzeugender, als er es bisher tat, erklären, warum z.B. einige fehlende Fußnoten in der Dissertation der Frau Schavan aus dem Jahre 1980 heute noch ein Rücktrittsgrund sind, seine "Verfehlung" aus 1981 aber nicht. Schon aus diesem Grund sollte er genau die Konsequenz ziehen, die er stets nachdrücklich von anderen forderte: Zurücktreten, auch wenn sein Lebenstraum "Finnzminister" damit jäh ausgeträumt wäre; das wäre echte Größe, was seine bisherigen Einlassungen nicht sind.