Zum Abschluss sahen sich Barack Obama und Raúl Castro ganz entspannt ein Baseballspiel an. Dann flog der amerikanische Präsident weiter nach Argentinien. Zufrieden wahrscheinlich, denn mit dem Staatsbesuch auf Kuba hat Obama im Annäherungsprozess der beiden Nationen sein mächtigstes Mittel genutzt und zugleich auch sein letztes: Weitere Möglichkeiten, um Kontinuität über das Ende seiner Amtszeit hinaus sicherzustellen, hat er nicht. Aller Voraussicht nach ist das aber auch nicht nötig: Obamas Besuch ist im Rückblick ein historischer Erfolg; die täglich wachsenden Verflechtungen der beiden Nationen kann sein Nachfolger wohl kaum noch aufdröseln.
Das Weiße Haus ließ sich bei den Reisevorbereitungen lange nicht in die Karten blicken, insbesondere nicht, was die Begegnung mit Regimekritikern anging. So sollte sichergestellt werden, dass die kubanischen Teilnehmer nicht vorher verschwänden. In Gesprächen mit 13 Oppositionellen lobte Obama deren Mut und versprach, Menschenrechtsverletzungen auch weiterhin anzuklagen. Dabei gelang ihm ein eindrucksvoller diplomatischer Balanceakt: klare Zusagen an das kubanische Volk, professioneller Umgang mit Machthaber Raúl Castro und eine Demonstration demokratischer Vorzüge, wenn sie mit Aufrichtigkeit einhergehen.
Wer befürchtet hatte, Obama würde sich als Grüßaugust einer siechen Diktatur missbrauchen lassen, sah sich getäuscht: Auch in China oder Äthiopien hat Obama Machthaber, die sich neben ihm sonnen wollten, in Pressekonferenzen gezwungen – und damit zwei der mächtigsten Mittel der Demokratie in Stellung gebracht, Öffentlichkeit und Rechtfertigungsdruck. Der 84-jährige Raúl Castro hatte in dem ungewohnten Format die Contenance und dabei auch die Kontrolle über seine Äußerungen verloren: „Es ist nicht in Ordnung, mich nach politischen Gefangenen zu fragen“, verkündete er dem nationalen TV-Publikum live. Castro leugnete, dass es solche Gefangenen überhaupt gebe, und sagte zu, alle freizulassen, deren Namen man ihm nennen könne. Als daraufhin zahlreiche Journalistenhände in die Höhe schossen, erklärte er die Pressekonferenz für beendet. Schon an diesem Punkt hatte sich die Reise gelohnt – so etwas haben Kubas Fernsehzuschauer noch nie erlebt.
Die Rede im Staatsfernsehen war ein weiteres Zeugnis für Obamas rhetorische Fähigkeiten. Er demonstrierte anhand von Vorwürfen gegen sein eigenes Land, dass freie Debatten zu Fortschritt führen – ein kraftvolles Argument gegen die politisch erzwungene Lähmung der Gastnation. Der Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht des kubanischen Volkes markiert nicht nur die Abkehr von neokonservativem Gedankengut. Er schützt Obama auch vor Kritik im Kongress, wenn demokratische Reformen auf der Insel zunächst ausbleiben.
Dass es auf Kuba über Nacht zu Umbrüchen kommt, glaubt nicht einmal Obama. Wirtschaftsbeziehungen, Austauschprogramme und Internetkabel sind noch kein Garant für Demokratie – China ist dafür das beste Beispiel. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Rolling Stones, bestes Beispiel westlicher Dekadenz, am Karfreitagabend in Havanna ein Gratiskonzert vor mehreren hunderttausend Zuschauern gaben. Und Musik kann etwas bewegen. Das wissen wir seit dem „Sonderzug nach Pankow“ und „Wind of Change“.