zurück
Leitartikel Ein guter Tag für die Menschen in Europa
Roland Schmitt-Raiser
 |  aktualisiert: 02.04.2019 09:57 Uhr

Danke, Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)! Danke, dass seit Tagen mein E-Mail-Postfach überläuft mit Mitteilungen, bald vom Absender keine ungebetenen Anschreiben mehr zu erhalten. Die Flut an Newslettern, die ich nie bestellt hatte, ebbt ab heute massiv ab. Der 25. Mai 2018 ist also ein guter Tag für den Verbraucher- und Datenschutz.

Dass mich die Mails ab heute nicht mehr nerven, ist bezeichnend. Die DSGVO ist ja bereits seit zwei Jahren in Kraft. Jetzt allerdings drohen bei Verstoß erstmals drakonische Strafen. Ohne diese Androhungen waren etliche Schutzbemühungen weitestgehend wirkungslos. Doch in einer Welt, in der jeder zu jeder Zeit über die sozialen Netzwerke Fotos und Informationen verbreiten kann, jede Bewegung im Internet und jeder Einkauf Datenspuren hinterlässt, ist ein wirksamer Schutz dringend notwendig.

Rechtsunsicherheit schafft Sorge vor Abmahnwelle

Für viele Unternehmet klingt das „Danke“ an die DSGVO freilich wie blanker Hohn. Seit Monaten sind sie damit beschäftigt, ihre Datenschutzrichtlinien, ihre Webseiten, ihr Kundenmanagement, ihre Geschäfts- und Arbeitsprozesse auf die DSGVO anzupassen. Das bedeutet ein deutliches Mehr an Bürokratie. Gleichzeitig beantwortet ihnen niemand die Frage, ob ihr Umgang mit den Daten nun rechtskonform ist oder nicht. Viele wachsweiche Formulierungen in der DSGVO lassen so viel Spielraum, dass man je nachdem, wen man dazu befragt, andere Antworten erhält.

Diese Rechtsunsicherheit wird die Gerichte in Deutschland und Europa die nächsten Jahre beschäftigen. Das ist alles andere als befriedigend und benachteiligt kleinere Unternehmen oder auch Vereine, die keine Armada an Juristen aufweisen können. Denn sie werden in Zweifelsfällen die Verordnung lieber übererfüllen. Die Sorge vor professionellen Abmahnern, die hier ein Geschäft wittern, ist nicht unbegründet.

Dies ist eine von etlichen Schwächen der DSGVO, die uns zum Teil in echte Zwickmühlen treibt. Nehmen wir als Beispiel die Datenschutz-Leitlinie der Datensparsamkeit. Sparsamkeit klingt für uns Deutsche ja immer nach einer Tugend – vor allem dann, wenn wir sie von anderen einfordern. Viele positive Errungenschaften des digitalen Wandels gründen aber gerade auf einer Masse an Daten: die Stauvorhersage etwa. Auch dass Informationen, die nur für einen kleinen Nutzerkreis von Interesse sind, diesen auch zuverlässig erreichen, basiert auf der Analyse von vielen Daten.

Nicht alles, was sinnvoll erscheint, ist es dann tatsächlich auch

Nehmen wir als weiteres Beispiel das Prinzip, dass die Menschen der Verwendung ihrer Daten zustimmen müssen. Klingt sinnvoll. Was aber, wenn ein digitaler Dienst so tief in unserem Alltag verwurzelt ist, dass von einer Wahlmöglichkeit nicht wirklich gesprochen werden kann? Beispiel Facebook oder Google. Stimmen wir der Verwendung unserer Daten nicht zu, können wir die Dienste nicht mehr nutzen. Die großen Digitalunternehmen werden damit auch weiterhin die Grenzen des Erlaubten in Sachen Datenschutz ausloten und problemlos das Einverständnis der Mehrheit an Nutzern einholen. Hier hilft Zustimmungspflicht nicht wirklich weiter.

Vielleicht gibt es beim Datenschutz auch keinen Ausweg aus dem Dilemma: Es geht immer um die Balance zwischen Schutz und Freiheit, die ständig neu austariert werden muss. Deswegen ist der Schritt zu einem in Europa einheitlichen Schutz der persönlichen Daten richtig.

Die DSGVO sollte indes nicht wie ein in Stein gemeißeltes Gebot auf uns herniederfallen. Überall dort, wo sie mehr Probleme schafft als löst, wo sie die Falschen trifft und den Datenmissbrauch nicht wirksam eindämmt, muss sie im Sinne der Menschen und des digitalen Fortschritts weiterentwickelt werden.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Roland Schmitt-Raiser
Datenmissbrauch
Datenschutz
Google
Kundenbeziehungsmanagement
Persönliche Daten
Rechtsunsicherheit
Verordnungen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top