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Leitartikel: Ehegattensplitting abschaffen
Von Michael Czygan michael.czygan@mainpost.de
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:53 Uhr

Einmal mehr macht das Bundesverfassungsgericht der Politik Beine. Die Karlsruher Richter haben entschieden: Auch eingetragene Lebenspartnerschaften, die sogenannten Homo-Ehen, müssen vom Ehegattensplitting profitieren können. Der bisherigen Position der Bundesregierung, allein die klassische Ehe steuerrechtlich zu privilegieren, hat das höchste deutsche Gericht eine deutliche Absage erteilt. Es gebe keine „gewichtigen Sachgründe für eine Ungleichbehandlung“, heißt es.

Dieses Urteil hatte sich lange schon abgezeichnet, Schwarz-Gelb hat allein der Mut hat gefehlt, eine politische Position aufzugeben, die der gesellschaftlichen Realität nicht mehr entspricht. Wenn Konservative der klassischen Ehe in ihrem Wertekanon einen besonderen Stellenwert einräumen, ist das völlig in Ordnung. Nur darf diese Haltung kein Grund sein, andere, genauso ernst gemeinte und verbriefte Partnerschaften finanziell zu benachteiligen.

Die FDP und viele in der CDU sehen das längst genauso. Allein aus der CSU kam größerer Widerstand. Widerstand, der selbst die sonst politisch so geschmeidige Angela Merkel bremste, nach der Atomkraft, der Wehrpflicht, dem Nein zu Mindestlöhnen und zuletzt zur Mietpreis-Deckelung eine weitere konservative Bastion zu räumen. Hätte sie es auch diesmal getan, wäre der Kanzlerin eine Blamage erspart geblieben. Kein Wunder, dass es nun sehr schnell gehen könnte. Dem Vorwurf, Politik gegen die Verfassung zu machen, wird sich selbst CSU-Chef Horst Seehofer nicht länger aussetzen wollen.

Ein Gesetz, das eingetragenen Lebenspartnerschaften das Ehegattensplitting ermöglicht, ist ein Beitrag zu mehr Gleichberechtigung. Ein geeignetes Instrument zur Familienförderung indes ist es nicht. Egal ob klassische oder Homo-Ehe, es gibt keinen Grund (mehr), Paaren Steuervorteile zu gewähren, nur weil sie Paare sind.

Der Grund, diese Vergünstigung einzuführen, war die Förderung der klassischen Einverdiener-Familie, in der sich die Hausfrau daheim um die Erziehung der Kinder kümmert, während der Ehemann das Geld verdient. Einst wuchsen 95 Prozent aller Mädchen und Buben hierzulande so auf. Ihr Fortkommen unterstützte der Staat auch über das Ehegattensplitting. Heutzutage leben nur noch 70 Prozent der 14,6 Millionen Kinder in Deutschland in einer klassischen Familie. Dass nur ein Elternteil arbeitet, ist dabei die Ausnahme.

Über 20 Prozent der Kleinen werden von alleinerziehenden Müttern und Vätern großgezogen. Die Steuervorteile nutzen ihnen nichts. Dagegen profitieren über 12,5 Millionen verheiratete Frauen und Männer, die keine Kinder haben, vom Ehegattensplitting. Das kann gesellschaftspolitisch nicht gewollt sein.

Über 15 Milliarden Euro lässt sich der Staat das Ehegattensplitting jährlich kosten. Das Geld sollte ausschließlich Kindern zugutekommen – egal ob sie bei nur einem Elternteil, in der klassischen Familie, einer Patchwork-Familie, einer schwul-lesbischen Familie oder einer sonstwie gelagerten Partnerschaft aufwachsen.

Der Ausbau des Ehegattensplittings zu einem Familiensplitting, wie ihn etwa die SPD befürwortet, wird kaum helfen. Experten fürchten, dass Besserverdienende dabei über die Maßen profitieren. Mutige Politik sollte das Splitting einfach abschaffen – und mit dem Geld Kinder und Eltern direkt fördern.

 
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