Die Summe macht einen als Normalbürger schwindelig: 100 Millionen Dollar zahlt Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, um mit heiler Haut aus seinem Korruptionsprozess in München herauszukommen. Man kann sich das kaum vorstellen. 100 Millionen Dollar zahlt ein einzelner reicher Mann – genauso viel kratzt die Weltgesundheitsorganisation WHO gerade für den Kampf gegen Ebola zusammen.
Das heizt die Phantasie der Stammtische an. Das riecht nach Kuh- oder Ablasshandel, das nährt die Vorstellungen, dass man nur reich genug sein muss wie Ecclestone oder der ähnlich selbstbewusst auftretende Fifa-Chef Sepp Blatter, um sich alles kaufen zu können – sogar einen Freispruch.
Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Das gleiche Landgericht hat mit der Verurteilung des ehemaligen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß bewiesen, dass es keine Angst vor großen Namen hat. Die gleiche Staatsanwaltschaft befasst sich gerade mit dem Fall Christine Haderthauer, Chefin der Bayerischen Staatskanzlei.
Dem kleinen Engländer mit dem großen Ego und der noch größeren Brieftasche stehen die gleichen Rechte zu wie jedem anderen Angeklagten. Dazu gehört auch die Einstellung gegen Geldauflage. Das kommt an deutschen Gerichten jeden Tag vor, nicht nur bei Tätern aus der High Society. Die Geldauflage orientiert sich am Einkommen des Angeklagten – und Ecclestone bekommt nun mal eine Menge mehr als ein Busfahrer, Polizist und sogar ein gut verdienender Facharzt.
Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. Wir reden ja nicht vom Kauf eines Krümels Marihuana oder eine geklaute Tüte Orangensaft, sondern von einem Vorgang, der die Öffentlichkeit zutiefst verunsichert hat. Die Frage bleibt: Was hat es mit Gerechtigkeit zu tun, wenn der geschmierte Banker Gerhard Gribkowsky schuldig gesprochen wird und eine Haftstrafe von achteinhalb Jahren weitgehend absitzen muss, aber der mutmaßliche Schmierer auf freiem Fuß bleibt?
Beide standen vor dem gleichen Richter, der wohl schweren Herzens abgewogen hat, wie stark die Chance sein würde, am Ende zu einer Verurteilung zu kommen. Die Staatsanwälte konnten dem Angeklagten nicht zweifelsfrei nachweisen, dass er Bestechungsgeld gezahlt hat. Somit bleiben Zweifel an seiner Schuld, die Prangerwirkung des öffentlichen Aufsehens um seinen Prozess und sein Alter von 83 Jahren – Gesichtspunkte, die ihm strafmindernd angelastet würden.
Man muss das nüchtern sehen: Am Ende haben die Richter mit einer Einstellung gegen diese hohe Geldauflage wohl weit mehr herausgeholt als bei einem Prozess, der sich noch Wochen hingezogen hätte. Und wie hätte erst die Empörung ausgesehen, wenn am Ende ein Freispruch aus Mangel an Beweisen herausgekommen wäre?
Wenn die Enttäuschung in der Öffentlichkeit dennoch groß ist, liegt das weniger an einer unbefriedigenden Rechtslage. Ist es nicht vielmehr so: Wenn Prominente auf die Anklagebank müssen, ist die hämische Erwartung besonders ausgeprägt, dass sie aus großer Fallhöhe wieder zu uns Normalbürgern herunterstürzen. Also wird mit vielen Schlagzeilen viel Wind um die angeblichen Sünden von Promis gemacht. Oft ein Sturm im Wasserglas. So war es bei Jörg Kachelmann, so ist es bei Bernie Ecclestone – und bald wird das Urteil gegen Gustl Mollath viele Enttäuschte hinterlassen.