Der Bundesverkehrsminister hat sich verrannt. Denn der Durchbruch in Brüssel, der eine deutsche Pkw-Maut nun möglich macht, ist kein Sieg. Das Ziel bestand ja nicht darin, endlich eine Infrastrukturabgabe einführen zu können, sondern Geld für dringend benötigte Straßenprojekte zu bekommen. Wohlgemerkt: zusätzliches Geld.
Nun ist von „sicheren“ Einnahmen in Höhe von 500 Millionen die Rede. Ist das viel? Oder gar genug? Ein Beispiel hilft weiter: Die deutschen Autobahnen und Bundesstraßen führen über 39 000 Brücken. Rund 2500 wurden von den Fachleuten bei der jährlichen Überprüfung im März dieses Jahres als „nicht ausreichend“ oder gar „ungenügend“ bewertet. Das heißt: Sie müssen in Kürze entweder grundlegend saniert oder ersetzt werden. Mit 500 Millionen Euro kommt man da nicht sehr weit. Und dabei sind die dringend notwendigen Reparaturen an Autobahnteilstücken oder gar der Neubau noch gar nicht eingerechnet.
Bei diesem Betrag bleiben die Defizite im Straßennetz
Alexander Dobrindts (CSU) ambitionierter Ansatz, die ausländischen Autofahrer an den deutschen Wegekosten zu beteiligen, schien zwar plausibel. Aber es war immer klar, dass der Minister wortbrüchig werden würde. Entweder, weil die Diskriminierung der EU-Ausländer nicht ausgeräumt werden kann. Oder aber, weil die aufkommensneutrale Entlastung der deutschen Autofahrer nicht aufrechtzuerhalten ist. Beides hat der Minister mit einem Trick nun erreicht. Doch das große Ziel wird verfehlt: Von Einnahmen, mit denen die Defizite im deutschen Straßennetz beseitigt werden, kann keine Rede sein.
Was nun folgt, ist der eigentliche Ärger. Denn Dobrindts Maut dürfte sich als im höchsten Maße ungerecht herausstellen. In Brüssel werden Straßenbenutzungsgebühren zwar im Grundsatz begrüßt. Aber die Kommission hat immer betont, dass diese den Autofahrer nur in dem Maße treffen sollten, wie er die Straßen nutzt. Soll heißen: Wer viel und weit fährt, müsste mehr zahlen als derjenige, der sein Auto nur für den sonntäglichen Ausflug aus der Garage holt.
Mehr noch: Die jetzt mit einer Umweltkomponente ergänzte Abgabe wird für jeden Autobesitzer fällig. Also auch für den, der lange Reisen viel lieber und öfter mit ökologischeren Verkehrsmittel bestreitet – zum Beispiel mit der Bahn. Diese Ungerechtigkeit hat der deutsche Verkehrsminister in seinen Plänen nicht beseitigt. Es zahlt jeder, der ein Auto besitzt. Ob er es benutzt oder nicht. Die deutsche Pkw-Maut bleibt deshalb ein Ärgernis, weil sie weder als Infrastrukturabgabe taugt, noch als ökologisches Instrument ausgereift ist.
Zur Gebührenerhebung muss erst mal eine Infrastruktur her
Hinzu kommt, dass nun erst einmal mit etlichen Hundert Millionen Euro eine Infrastruktur zur Erhebung der Gebühr errichtet werden muss, von der noch niemand weiß, wie viel nicht nur die Startphase, sondern auch der ständige Betrieb kostet. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat bereits seine Skepsis durchscheinen lassen, als er dem Kabinettskollegen sagte, die Gewinne müssten über den Investitionen liegen. Er dürfte mit seinen Befürchtungen Recht behalten.
Außerdem ließen vor allem sozialdemokratische Vertreter aus Deutschland in Brüssel durchblicken, die Dobrindt-Pläne seien „auch in Berlin noch nicht durch“. Gerade im beginnenden Bundestagswahlkampf werde die SPD die Pläne der CSU keineswegs einfach „abnicken“, sondern „unter Umständen heftig reagieren“. Soll heißen: ausbremsen.
Genau hinschauen wird man auch in Belgien, den Niederlanden und vor allem Österreich. Wien behält sich eine Klage vor, sollte sich herausstellen, dass die deutsche Pkw-Maut zu einer Diskriminierung österreichischer Autofahrer führt. Die niederländische und belgische Regierung hatten bereits damit gedroht, sich für die deutsche Abgabe mit der Einführung einer eigenen Maut zu revanchieren.