Erstmals in ihrer Geschichte fand die Islamische Republik erleichterten Beifall auf der internationalen Bühne, nachdem sie jahrzehntelang als Dunkelmacht des Globus galt. Seit dem erfolgreichen Verhandlungsmarathon in der österreichischen Hauptstadt ist ein brisanter Konflikt entschärft – nach 13 Jahren Gezerre, Kriegsdrohungen und weltweiten Sanktionen. Der Atomvertrag markiert einen historischen Wendepunkt. Er wird die Dynamik der Weltdiplomatie verändern, genauso wie das Gesicht des Nahen Ostens und das politische Leben der Islamischen Republik.
Außenpolitik ist Innenpolitik, damit hatte Präsident Hassan Rouhani 2013 die absolute Mehrheit seiner Landsleute überzeugt. Der gewiefte Kleriker versprach, den Iran wieder zu einem respektierten Partner auf dem internationalen Parkett zu machen. Gleichzeitig stellte er in Aussicht, die Willkürmacht der islamischen Herrschaft zu begrenzen durch eine Grundrechtecharta für alle Bürger.
Zwei Jahre lang hielten seine Anhänger still und ertrugen weiter das Treiben der Hardliner, wohl wissend, dass ihr Präsident zunächst den gordischen Knoten des Atomproblems durchschlagen muss. Die Zahl der Hinrichtungen kletterte auf Rekordniveau, politische Aktivisten wurden zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, Frauen drangsaliert und diskriminiert. Nach dem Erfolg von Wien jedoch wird Irans Jugend, die mehr als die Hälfte der 78 Millionen Einwohner ausmacht, ihre innenpolitische Dividende einzufordern beginnen.
Noch hat die betagte Gründergeneration der Islamischen Republik das Heft in der Hand. Doch ihre Tage sind schon rein biologisch gezählt. Ob die Bilanz ihres frommen Revolutionsprojektes die politischen Erben überzeugt, daran gibt es erhebliche Zweifel. Denn die Mitstreiter Khomeinis hinterlassen eine Nation, deren wirtschaftliches Wohlergeben im jahrelangen Streit um dubiose Nuklearträume zerstört wurde. Der bisher spektakulärste Versuch, den Atomwahn zu beenden und die alltägliche Bevormundung abzuschütteln, misslang im Sommer 2009. Nach sechs Monaten Tumulten war die grüne Bewegung erstickt und mundtot gemacht. Ihre Galionsfiguren leben bis heute unter erniedrigendem Hausarrest.
Für den iranischen Nachwuchs aber sind die Zweifel an der Legitimität der Islamischen Republik eher noch gewachsen. Die jahrzehntelange Militanz des angeblich gottgelenkten Regimes hat die Bevölkerung zur säkularsten des gesamten Nahen und Mittleren Ostens gemacht. Die persischen Moscheen sind genauso leer wie die Kirchen Europas. Mehr als zwei Million Bürger sind heroinabhängig, eine der höchsten Suchtraten der Welt. Das Gesundheitsministerium plant jetzt 150 Therapiezentren für Alkoholkranke, obwohl Alkohol strikt verboten ist. Und so ist die Erschaffung des islamischen Mustergläubigen genauso gescheitert, wie vor einem Vierteljahrhundert der sozialistische Mustermensch.
Trotzdem sind ausgerechnet in dem verblichenen Gottesstaat die Aussichten für eine demokratische Öffnung besser als im Rest der nahöstlichen Welt. Irans Zivilgesellschaft ist erstaunlich gut entwickelt, die Bevölkerung gebildet, belesen und diszipliniert. Irans junge Leute gehören zu den talentiertesten der Region. Sie wissen, was sie wollen. Und sie wissen, dass ihre Zeit kommen wird.