Zum Thema „käuflicher Sex“ machte sich schon Kaiserin Maria Theresia keine Illusionen: „Um die Prostitution abzuschaffen, müsste man die Männer abschaffen“, sagte die österreichische Monarchin vor 300 Jahren. Ähnliche Bodenhaftung beweist jetzt auch amnesty international mit einem wegweisenden Beschluss: Prostitution in all ihren Facetten soll legal werden, fordert die Menschenrechtsorganisation.
Dieses Thema ist – wie kaum ein anderes – voller Fallstricke, die Moral, Heuchelei, Geldgier oder Gesundheitsfürsorge heißen könnten. Es wird zusätzlich gespeist von Unkenntnis und Vorurteilen.
Man muss ja nicht gleich so weit gehen wie der wortgewandte Interessenverband der Erotik- und Sexarbeiterinnen in Deutschland (BesD). Der wünscht sich, die Tätigkeit der Huren als so normal anzusehen wie die einer Verkäuferin an der Supermarkt-Kasse. Wenn man den BesD-Huren glauben darf, gehen viele diesem Beruf freiwillig nach. Zwangsprostitution wäre also bei uns bei Weitem nicht so weit verbreitet, wie man denken würde.
Das kann man glauben. Oder man kann fragen: Was ist Zwang? Kann jemand nur von einem Zuhälter gezwungen werden, anzuschaffen – und nicht auch von Armut, Hunger, Schulden oder der eigenen Gier nach Luxus, die sich mit dem Gehalt einer Zahnarzthelferin nicht befriedigen lässt? Und welcher Berufsverband vertritt die Interessen der ausländischen Huren, die kaum Deutsch verstehen und auch noch ohne Kondom ihren Freiern zu Willen sein müssen? Von den kleinen Mädchen und Jungs in Thailand, Jamaika oder Südafrika, die von deutschen Freiern heimlich heimgesucht werden, ist da noch nicht einmal die Rede.
Wer gedacht hatte, die sexuelle Revolution habe uns eine Freiheit gebracht, in der Prostitution überflüssig wird, sieht sich getäuscht. In unserer heutigen Kommerzwelt ist alles käuflich. Sex wird von Angebot und Nachfrage bestimmt, auf das damit verbundene Elend der „Gunstgewerblerinnen“ nimmt keiner Rücksicht – am wenigsten die Nutznießer. So sieht die wahre Freiheit der Ware Mensch aus.
Für die weltweite Legalisierung spricht eine Reihe guter Gründe: Prostituierte leiden in jenen Ländern, in denen das Gewerbe verboten ist, deutlich mehr unter Gewalt, Ausbeutung und Stigmatisierung. Mehr noch, Organisationen wie die Uno und die Weltbank sind überzeugt: Die Entkriminalisierung könnte 33 bis 46 Prozent der Neuansteckungen mit HIV im kommenden Jahrzehnt abwenden.
Aber Kritiker halten dem entgegen, dass damit auch den Bordellbetreibern und Zuhältern ein Freibrief ausgestellt wird. Alice Schwarzer, Frauenrechtlerin der alten Schule, wettert wie zu besten Zeiten über das „Zuhälterparadies“ Deutschland, in das aus ganz Europa Busladungen von Freiern einerseits und hilflosen Rumäninnen und Bulgarinnen andererseits herangekarrt würden. Flatrates, „All-you-can-fuck“-Etablissements, „Gang-banging“, bei dem eine Frau mehrere Freier zugleich über sich ergehen lassen muss, und „Airport-Muschis“ für die ganz Eiligen – das sei die Landschaft, die Rot-Grün 2002 mit einem vermurksten Gesetz geschaffen habe. Es sollte die Situation der Prostituierten verbessern und hat das Gegenteil bewirkt.
Auch das ist Realität, und das bittere an dieser Bilanz ist: Alice Schwarzer hat recht. Auch wenn das nicht jeder gerne zugibt.