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Leitartikel: Die Türkei bleibt ein hoch problematischer Partner
Gerd Höhler
Gerd Höhler
 |  aktualisiert: 29.04.2018 02:37 Uhr

Keine Einigung, kein Kompromiss, nicht mal eine Annäherung. Die Bilanz des EU-Türkei-Gipfeltreffens im bulgarischen Warna ist mehr als mager. Das überrascht nicht. Noch nie seit dem Beginn der Beitrittsverhandlungen waren die Beziehungen zwischen Brüssel und Ankara auf einem solchen Tiefpunkt.

Unter dem Ausnahmezustand, der seit dem Putschversuch vom Juli 2016 gilt, hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Abbau der Grundrechte in der Türkei weiter beschleunigt. Er regiert das Land im Alleingang, ohne Kontrolle durch Parlament oder Justiz. Gleichgeschaltete Medien, eine gegängelte Justiz, die Opposition geknebelt, die Gewaltenteilung ausgehebelt, Zehntausende Regimekritiker hinter Gittern: Von der Demokratie ist in der Türkei nicht mehr viel übrig.

Auch außenpolitisch setzt sich Erdogan über das Recht hinweg. Mit einer Seeblockade hindert er das EU-Mitglied Zypern daran, vor seiner Küste nach Erdgas zu suchen. In der Ägäis stellt die Türkei die international anerkannten Grenzen infrage und meldet Ansprüche auf griechische Inseln an. Erst kürzlich rammte die türkische Küstenwache ein Patrouillenboot des Nato-Verbündeten Griechenland.

Erdogan sorgt für Spannungen auf internationaler Ebene

Nicht nur damit fordert Erdogan die Nato heraus. Mit dem Kauf russischer Flugabwehrraketen geht die Türkei auf Distanz zum westlichen Bündnis und zu den USA. Der türkische Einmarsch in Syrien sorgt nicht nur für Spannungen mit Washington. Ankara gießt damit Öl ins Feuer des syrischen Bürgerkrieges und bringt neues Elend über das zerrissene Land – 150 000 Menschen sind auf der Flucht vor den türkischen Truppen.

Und während die europäischen Partner große Sorge angesichts der völkerrechtlich fragwürdigen türkischen Invasion in Syrien äußern, startet Erdogan bereits seinen nächsten Feldzug – diesmal im Nordirak.

Es liegt auf der Hand, dass die Türkei unter diesen Vorzeichen nicht Mitglied der Europäischen Union werden kann. Eigentlich müsste die EU die Beitrittsverhandlungen beenden, denn das Land erfüllt die Kopenhagener Kriterien, an die alle Beitrittskandidaten gebunden sind, längst nicht mehr.

Die EU steckt gegenüber der Türkei in einem Dilemma, nicht erst jetzt. Sie öffnete zwar 2005 mit der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen der Türkei ihre Tür. Man brauchte das Land als Verbündeten in der Sicherheitspolitik, auch als Wirtschaftspartner wurde es immer wichtiger. Doch ab 2007 ließ man die Gespräche wieder einschlafen – vor allem auf Betreiben von Kanzlerin Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, damals französischer Präsident. Beide wollten keine Vollmitgliedschaft der Türkei, vor allem aus kulturellen Gründen.

Der Niedergang der Demokratie ist von Europa mitverschuldet

Seither hat die EU das Land weitgehend sich selbst überlassen, statt es einzubinden und in die Pflicht zu nehmen. Dass man ausgerechnet die Verhandlungskapitel über Justiz, Grundrechte und Freiheit immer wieder vertagte, war ein schwerer Fehler. Europa trägt daher Mitverantwortung für den Niedergang der Demokratie in der Türkei.

Jetzt die Beitrittsverhandlungen ganz abzubrechen, wäre das falsche Signal. Es kommt darauf an, den Dialog aufrechtzuerhalten. Die EU braucht die Türkei nicht nur in der Flüchtlingspolitik, sondern auch als sicherheitspolitischen Partner an der Schwelle zum unruhigen Nahen Osten. Aber das ist kein Grund, vor Erdogan zu kuschen. Denn auch Ankara hat Wünsche: Visa-Erleichterungen und eine Vertiefung der Zollunion. Über beides kann man reden – aber erst, wenn Erdogan den Demokratieabbau beendet und zum Rechtsstaat zurückkehrt.

Die Türkei bleibt ein hoch problematischer Partner. Doch nur, wenn die EU mit Ankara im Gespräch bleibt, kann sie versuchen, Einfluss auf die Entwicklung des Landes zu nehmen.

 
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