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Leitartikel: Die Mitbestimmung macht Deutschland stark

Von Stefan Stahl

red.politik@mainpost.de

 |  aktualisiert: 15.03.2020 02:10 Uhr

Dass Deutschland wirtschaftlich trotz aller globalen Verwerfungen noch gut dasteht und Einbrüche besser als andere Länder übersteht, liegt an klugen Weichenstellungen. In der Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009 – und damit der größtmöglichen Belastungsprobe für ein Gemeinwesen – erwies sich, dass Deutschland elementare Vorzüge gegenüber anderen Volkswirtschaften genießt.

Dazu zählt die duale Ausbildung, also Lehrberufe, die sowohl auf praktischer wie theoretischer Qualifikation fußen. Diese Säule ist die Basis für stetigen Facharbeiter- und Handwerkernachwuchs. Zudem wirkte sich unser von Brüssel zu Unrecht immer wieder gescholtenes dreigliedrige Bankensystem stabilisierend aus, denn während private Geldhäuser wankten, erwiesen sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken als Fels in der Brandung eines international außer Rand und Band geratenen Kapitalismus.

Der wesentliche Pfeiler des deutschen Erfolgsmodells ist jedoch die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreten, ob in Betriebs- der Aufsichtsräten. Insofern dürften sich beide Mitspieler des bewährten deutschen Modells der Sozialpartnerschaft heute anerkennend gegenseitig auf die Schulter klopfen. Denn vor 100 Jahren wurde mit dem Betriebsrätegesetz die Tradition einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe in vielen Firmen begründet.

Mitbestimmte Firmen haben die Finanzkrise besser überstanden

Inzwischen ist auch wissenschaftlich belegt, wie segensreich Mitbestimmung für Betriebsinhaber ist. Unternehmen gedeihen oft dann gut, wenn die Anliegen der Beschäftigten Gehör finden. Das wurde während der Finanzkrise offenbar, wie die beiden Betriebswirtschafts-Professoren Marc Steffen Rapp von der Uni Marburg und Michael Wolff von der Uni Göttingen untersucht haben. Demnach haben mitbestimmte Firmen in der Krise besser abgeschnitten als Unternehmen ohne Partizipation. Was erstaunlich ist und allen Unternehmern, die Betriebsräte lästig finden oder gar blockieren, zu denken geben sollte: Firmen mit Betriebsrat haben das Fiasko von 2008 mit besseren Renditen und Bewertungen am Kapitalmarkt überstanden. Vor allem gelang es in einem gesellschaftlichen Kraftakt, an dem Betriebsräte maßgeblich beteiligt waren, die befürchteten Massenentlassungen zu verhindern.

Durch rasches Handeln konnten viele Stellen gerettet werden

Dabei waren es nicht allein die Ausweitung der Kurzarbeit durch die Bundesregierung, die ein Job-Desaster verhindert hat. Dank des Effekts konnten nach Untersuchungen zwar rund 250 000 Entlassungen verhindert werden. Aber durch vernünftiges und rasches Handeln auf Betriebsebene – also den Abbau von Arbeitszeitkonten und Überstunden sowie verkürzten Arbeitszeiten – konnten noch viel mehr Stellen gerettet werden. Forscher sprechen von bis zu 750 000. Überall im Land zahlte sich die Kooperation von Betriebsräten und Arbeitgebern aus. Deutschland kam schneller aus der Krise als andere Länder heraus.

Daher ist es ein Unding, dass seit Mitte der 90er-Jahre weniger Menschen von der Mitbestimmung profitieren. Der Anteil sank in Westdeutschland von 51 auf 42 Prozent, im Osten von 43 auf 35 Prozent. Der Erosionsprozess vollzieht sich gerade in Firmen zwischen 51 und 500 Mitarbeitern. Und das, obwohl Mitbestimmung in den nächsten Jahren wiederum zum Standortvorteil werden könnte, schließlich müssen die Beschäftigte angesichts von Digitalisierung, Elektrifizierung und Dekarbonisierung weiter qualifiziert werden. Das funktioniert besser mit engagierten Betriebsräten, deren Augenmerk der gesamten Belegschaft – also auch den älteren Mitarbeitern – gilt. Wiederum geht es um dem Erhalt hunderttausender Arbeitsplätze.

 
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