Es ist der dritte Versuch, und er muss gelingen. Denn ein viertes Rettungspaket, so viel ist sicher, wird Griechenland nicht bekommen. Weder gibt es dafür die politische Unterstützung in den Geberländern, noch werden die Griechen selbst bereit sein, ein viertes Sparprogramm über sich ergehen zu lassen. Es geht also nicht nur um die Zukunft Griechenlands im Euro und um die Frage, welche Nebenwirkungen ein Grexit für die Währungsunion haben würde. Es geht auch um die wirtschaftliche und po- litische Stabilität des EU-Mitglieds und Nato-Partners Griechenland.
Dass in Athen ausgerechnet in dieser kritischsten Phase seiner jüngeren Geschichte ein unerfahrener Politiker regiert, der mit ideologischen Scheuklappen in den Wahlkampf zog und in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit als Premier weder politischen Realitätssinn noch Fingerspitzengefühl bewies, ist ein Handicap.
Alexis Tsipras hat sich zumindest bis zum Mai als schwere Hypothek für sein Land erwiesen. Selten hat eine neue Regierung in so kurzer Zeit so großen Schaden angerichtet wie diese. Ob das, was dann folgte – Tsipras‘ Zustimmung zum dritten Hilfspaket und die Einigung auf die daran geknüpften Spar- und Reformvorgaben –, der Einsicht in die Notwendigkeiten oder nur dem Druck der Geldgeber geschuldet ist, muss die Zukunft zeigen.
Die Auflagen des neuen Programms sind einerseits eine schwere Bürde für die Griechen, eröffnen dem Land aber zugleich neue Möglichkeiten. Nie zuvor seit Beginn der Griechenlandkrise gab es so detaillierte Reformvorgaben. Die Geldgeber haben aus den Fehlern der bisherigen Rettungskonzepte gelernt und die Sparvorgaben auf ein Maß gelockert, das tragbar ist und die griechische Wirtschaft nicht in die Rezession zurücktreibt.
Der Schwerpunkt des Programms liegt nun auf Strukturreformen, die Griechenland international wettbewerbsfähig machen sollen. Darin liegt auch eine große Chance für Tsipras. Er hat nun eine historische Mission – wenn er will. Der junge Premier kann sein Land grundlegend erneuern. Die Blaupause dafür liegt auf dem Tisch. Wenn Tsipras die Reformvorgaben umsetzt, kann Griechenland eines der mo-dernsten Länder Europas werden.
Die meisten Strukturreformen werden allerdings viele Jahre brauchen, bis sie Früchte tragen. Es handelt sich also um ein Generationenprojekt. Umso größer ist Tsipras‘ Verantwortung. Der erste Schritt ist zumindest eingeleitet: Der Premier sucht die überfällige Auseinandersetzung mit dem linksextremen Flügel seiner Regierungspartei. Er scheint entschlossen, Syriza vom linken Rand des politischen Spektrums in Richtung linke Mitte zu führen.
Der damit in Gang gekommene Spaltungsprozess der Partei wird zum Verlust der Regierungsmehrheit und zu vorgezogenen Parlamentswahlen im Herbst führen. Dass Tsipras sie gewinnen wird, ist aus heutiger Sicht so gut wie sicher, denn er dominiert unangefochten die politische Bühne. Seine größte Stärke ist die Schwäche der Oppositionsparteien. Wenn Tsipras sein Linksbündnis Syriza „entradikalisiert“, könnte er überdies Stimmenzugewinne in der politischen Mitte erzielen.
So misslich vorgezogene Wahlen auch für die Wirtschaft, die Konsolidierung der Staatsfinanzen und die rasche Umsetzung der Reformen sein mögen: Griechenland könnte damit ein neues Kapitel beginnen.