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Leitartikel Die Finanzkrise ist die Mutter vieler Probleme
Von Stefan Stahl red.politik@mainpost.de
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:08 Uhr

Das Zitat könnte vom Münchner Ironie-Großmeister Karl Valentin stammen: „Erwachsene sind lernfähig, aber unbelehrbar.“ Der Satz wird aber dem Pädagogen und Professor Horst Siebert zugeschrieben. Seine Erkenntnis passt wie die Faust aufs Auge eines traurigen Jubiläums: Vor zehn Jahren kollabierte die US-Bank Lehman. In der Folge bebte die globale Finanzbranche.

Die Wirtschaftswelt stand lediglich einige Zentimeter vor dem Abgrund, es schwindelte ihr. Beinahe wäre sie in die Tiefe gestürzt. Nur langsam ließ sich der Kapitalismus durch Staaten, die Milliarden an Hilfsgeldern springen ließen, und Zentralbanken, die Geld immer billiger machten, vom Schwindel befreien und vom Abgrund im Zeitlupen-Tempo wegziehen.

Am Ende erwiesen sich die meisten als unbelehrbar

Haben wir ausreichend Lehren aus dem schlimmsten Finanzdesaster seit der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er und im Verlauf der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts gezogen? Hier muss man leider mit dem Pädagogen Siebert antworten: Zunächst gelobten viele, lernfähig zu sein, aber am Ende erwiesen sich dann doch die meisten als unbelehrbar. In Abwandlung des Fassbinder-Films „Angst essen Seele auf“ lässt sich konstatieren: Gier frisst Verstand. Gier nach immer höheren Renditen lässt allzu viele jegliche, ein Finanzsystem stabilisierende, konservative Vorsicht missachten. Wenn Menschen Dollarzeichen in den Augen haben, ist alles zu spät. Gier macht sie blind und hungrig. Sie stürmen mit einem Tunnelblick voran, ohne nach rechts und links zu blicken, wo warnende Spielverderber ihre Köpfe aus dem Gras stecken.

So schätzt nicht nur der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, die Lage an den Finanzmärkten mit einem Verweis auf die Verschuldung der Schwellenländer als genauso gefährlich wie vor zehn Jahren ein. Und OECD-Chef Angel Gurría, ein wohltuend ehrlicher und selbstkritischer Ökonom, erinnert sich mit Grausen an 2008: „Wir haben uns geirrt, und wir müssen es zugeben. Wir haben nichts kommen sehen.“ Mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholt sich aber alles.

Die Regulierungsfesseln sitzen locker und lassen sich abstreifen

Denn die Finanzmärkte sind zwar durch höhere Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung von Banken stärker reguliert worden. Die Fesseln sitzen aber locker und lassen sich abstreifen, wenn der Gier das Wasser im Munde zusammenläuft. So hat jetzt ein norwegischer Börsenmakler mit dem aus hiesiger Sicht passenden Namen Einar Aas als einer der reichsten Männer des Landes sein Vermögen zerstört. Er wettete darauf, die Strompreise würden sich in den skandinavischen Staaten den teureren deutschen angleichen. Das Gegenteil war der Fall, weil es nach langer Dürre im Norden kräftig zu regnen anfing. Die Stauseen liefen voll und Wasserkraft verbilligte sich deutlich. Aas war erledigt. Eine bizarr-schaurige Geschichte über die Unbelehrbarkeit des Menschen.

Viele empfinden ein Unbehagen gegenüber Globalisierung

Dabei sind die Finanz- und die spätere Eurokrise die Mütter vieler Probleme. Hier irrt der auf das Thema Migration fixierte CSU-Chef Horst Seehofer. Denn spätestens seit 2008 hat viele Menschen, auch wenn sie im Wohlstand leben, ein tiefes Unbehagen gegenüber Globalisierung, Bankern und Politikern gepackt. Das Vertrauen in das Establishment ist weiter geschwunden. Es setzte sich die fatale Meinung durch, Bankern, also den Großen, werde geholfen, den Kleinen nicht. Daher führt ein Weg über die Finanz- und Eurokrise zum Neo-Populismus unserer Tage. Am Ende kommen Parteien wie die AfD in Deutschland, eine abstruse italienische Regierung und die selbstzerstörerische Brexit-Bewegung in Großbritannien heraus. Übrigens oft von Menschen getragen, die unbelehrbar wirken.

 
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