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Leitartikel: Die EU hat ein Image-Problem
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 27.11.2013 17:43 Uhr

Die Europäische Union hatte in dieser Woche gleich zwei Anlässe zum Feiern. Am Montag wurde ihr der Friedensnobelpreis verliehen, am Donnerstag wurde außerdem der Vertrag von Lissabon fünf Jahre alt. Doch Feierstimmung oder gar Euphorie sind fehl am Platz. Denn weder der Nobelpreis noch die eigentlich vielversprechenden Reformen, die der Lissabon-Vertrag mit sich brachte, können die Distanz zwischen den Europäern und den europäischen Institutionen überwinden. Die EU steckt nicht nur in einer Euro-, sondern auch mitten in einer Image-Krise. Und auch diese ist gefährlich.

Effizienter, transparenter und demokratischer wollte sich die EU nach „Lissabon“ präsentieren. Vor allem die Stärkung der Rechte des Europaparlaments und der Nationalparlamente wie dem Bundestag sollten dazu beitragen, den Bürgern Europa näher zu bringen. Nicht zuletzt wurden ein Präsident des Europäischen Rates und ein Hoher Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik installiert – neue Ämter, die Europa ein Gesicht geben sollten.

Doch viele Chancen, die der Lissabon-Vertrag bot, waren schnell verspielt. Schon der lange Ratifizierungsprozess steigerte bei vielen Bürgern die EU-Verdrossenheit. Und auch als der Vertrag am 1. Dezember 2009 endlich in Kraft trat, machte man Fehler. Vor allem die Besetzung des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik mit der außenpolitisch unerfahrenen Catherine Ashton aus dem EU-kritischen Großbritannien wurde von Experten als schlechtes Signal gewertet. Seit drei Jahren ist sie nun im Amt – weitgehend unsichtbar für die Bürger. Dabei hätte sie, beispielsweise während des Libyen-Konflikts, Chancen gehabt, sich in ihrer Rolle zu profilieren.

Auch die stärkere Einbeziehung der Nationalparlamente hatte nicht den erhofften Effekt. Wie auch, solange in den Mitgliedsstaaten das Schwarzer-Peter-Spiel nach dem Motto „Wenn etwas daneben geht, ist es Brüssel, wenn etwas erreicht wird, ist es ein nationaler Erfolg“ weitergetrieben wird? Der Politik gelang es bisher nicht, den Bürgen Europa zu vermitteln, obwohl rund ein Drittel aller vom Bundestag verabschiedeten Gesetze auf eine EU-Initiative zurückzuführen sind.

Für viele Europäer ist die EU ein von Regulierungswut getriebenes Bürokratiemonster, dessen Beamte und Politiker sich lieber Verordnungen über die Krümmung von Gurken ausdenken, als Wege aus der Euro-Krise zu finden. Und so fremdeln die Europäer mit ihrer EU. Das zeigen nicht nur die vielen kritischen Kommentare zum Friedensnobelpreis.

Die Beteiligung an der Europawahl etwa sank von 63 Prozent im Jahr 1979 auf 43 Prozent 2009 – ein Rekordtief. In Zeiten der Krise wuchs das Misstrauen – nicht nur in Großbritannien und den Niederlanden. Laut einer aktuellen Studie glaubt erstmals auch eine Mehrheit der Deutschen, dass es ihnen ohne die EU besser ginge.

Für junge Menschen ist Krieg in Europa unvorstellbar. Die EU hat nach den beiden Weltkriegen ihren Beitrag dazu geleistet, und dafür wurde sie zurecht mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Politiker – und Medien – sollten aber gerade in Krisenzeiten aufpassen, dass der europäische Gedanke nicht verloren geht. Das Zauberwort heißt vermitteln – zwischen den 27 Mitgliedsstaaten und zwischen Bürgern und Institutionen. Denn eines ist klar: Europa wird immer ein Kompromiss bleiben. Aber ein notwendiger.

 
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