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Leitartikel: Die Chancen der Außenseiter
Birgit Holzer
 |  aktualisiert: 17.02.2017 03:49 Uhr

Eine Eigenschaft scheint derzeit unverzichtbar für Politiker zu sein, um von den französischen Wählern akzeptiert zu werden: der Status als Outsider, als Erneuerer und Totengräber eines etablierten „Systems“. Das gilt sowohl für den Aufsteiger Emmanuel Macron, der mit seiner neu gegründeten Partei bei den Präsidentschaftswahlen antritt und mehr Bürgerbeteiligung verspricht, als auch für die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die aus der Kritik am Establishment ein Programm macht. Sogar François Fillon nutzte die Außenseiterrolle bei der Kandidatenkür der Konservativen gegen die Schwergewichte Alain Juppé und Nicolas Sarkozy.

Die Vorwahl der Sozialisten geht nun ebenfalls in diese Richtung, da der wenig bekannte Benoît Hamon, der einen Bruch mit der Regierungslinie anpeilt, nach der ersten Runde einen eindeutigen Vorsprung vor dem früheren Premierminister Manuel Valls hat. Zwar galt dieser als Favorit, bringt er doch mehr Erfahrung, Charisma und Machtbewusstsein mit. Doch zu groß ist der Verdruss der Wähler, um ein „Weiter so!“ gutzuheißen.

Das Ergebnis für Valls ist auch eine Klatsche für die Regierung

Da Valls als einziger der sieben Kandidaten die gemeinsame Bilanz mit Präsident François Hollande verteidigt hatte und Kontinuität verspricht, lässt sich das Ergebnis auch als Klatsche für die Regierung lesen. Dasselbe gilt für die vergleichsweise schwache Beteiligung von rund 1,5 Millionen Wählern – gegenüber 4,3 Millionen bei den Vorwahlen der Republikaner im November und 2,7 Millionen Menschen, die sich bei der Kandidatenkür der Sozialisten vor fünf Jahren beteiligt und damals mehrheitlich für Hollande gestimmt hatten.

Doch der Hoffnungsträger von einst ist zum unbeliebtesten Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte geworden. Zuletzt war er sogar im eigenen Lager so umstritten, dass er auf die Bewerbung um eine weitere Amtszeit verzichtete. Allerdings sprach er sich für keinen der Kandidaten aus. Nun wäre Hamons mögliche Nominierung ein Affront gegen Hollande. Sie würde nicht nur eine Abkehr von seiner Politik zugunsten eines Linksrucks der Partei bedeuten, sondern diese an die Zerreißprobe bringen.

Valls selbst hatte noch zu seiner Zeit als Regierungschef von „zwei unvereinbaren Linken“ innerhalb der Sozialistischen Partei gesprochen – einer reformorientierten Strömung, der er angehöre, sowie einer „unverantwortlichen und illusorischen“, die Reformprojekte blockiere und eine Politik auf Pump verspreche.

Die Finalrunde am Sonntag spiegelt einen Dauerkonflikt

Das anstehende Duell der beiden Männer bei der zweiten und finalen Runde am Sonntag schreibt den Dauerkonflikt weiter, der die Sozialisten während ihrer fünfjährigen Regierungszeit beherrschte: Auf der einen Seite stand der „sozialdemokratische“ Flügel, der linke Tabus brach, indem er den Arbeitsmarkt flexibler gestaltete, um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Für die Parteilinke, die diesen Kurs stets kritisiert hat, steht wiederum Hamon, der verspricht, im Falle eines Wahlsieges die Reformen der Regierung rückgängig zu machen, der er immerhin gut zwei Jahre angehörte.

Durch den permanenten Widerstand der linken „Rebellen“ im Parlament, die Hollande das Leben schwer machten, entstand das Bild einer Partei, die nicht regierungsfähig ist, sondern sich in ihren eigenen Widersprüchen verstrickt. Diese sind längst nicht aufgelöst; dabei könnte die Spaltung, auf die die Sozialisten zusteuern, sie dauerhaft in die Opposition zurückverweisen. Denn mehrheitsfähig ist keine der Einzelströmungen – stattdessen entsteht Platz für Neues.

Mit einem möglichen sozialistischen Kandidaten Hamon links außen und einem stark rechts ausgerichteten republikanischen Bewerber Fillon öffnet sich in der Mitte ein großer Raum für Macron. Diese Entwicklung zeigt: Gelingt es den traditionellen Volksparteien nicht, sich zu erneuern, haben sie ausgedient und andere treten an ihren Platz.

 
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