Ja, Europa muss Angst haben. Der Spiegel, den die US-Ratingagentur Standard & Poor's den Europäern vorhält, ist weder ein Kampfinstrument noch eine Kriegserklärung. Die Bonitätsprüfer haben ganz einfach recht. Bisher steht nichts – keine Fiskalunion, keine Schuldenbremse in den Verfassungen und auch keine Rettung Griechenlands, Portugals oder Irlands oder gar Italiens. Und die guten Nachrichten vom Donnerstag, als Rom und Madrid milliardenschwere Anleihen an den Mann bringen konnten, reichen eben nicht aus.
Man mag den US-Experten vorwerfen, sie hätten mit ihrer Herabstufung ja durchaus noch warten können, bis in zwei Wochen beim EU-Gipfeltreffen erste konkrete Vereinbarungen festgestanden hätten. Aber ansonsten haben sie gesagt, was gesagt werden musste: Versprochen ist viel, erreicht nichts.
Wer sich deshalb mit den üblichen Floskeln über die Sündenböcke aufhält, trägt seinen Beitrag zum Wegsehen und Vergessen bei. Er bestätigt genau genommen nur, was die wenigen vernünftigen Stimmen in der Krise immer wieder betonen: Der Reformdruck muss aufrechterhalten bleiben. Sonst passiert wenig. Oder gar nichts. Und Europa bliebe, was es ist: Ein bis auf wenige Ausnahmen wenig verlässliches Pflaster für Investoren.
Deutschland darf darüber mit Recht verärgert sein. Natürlich ist es positiv, wenn die Bundesrepublik sozusagen als das Paradies für Anleger gilt und deren Milliarden regelrecht aufsaugt – ohne Zinsen bezahlen zu müssen. Aber der größte Zahler der EU und des Rettungsschirms muss sich auf seine Freunde verlassen können.
Wir sind ja bereit, die gewaltige Last von 211 Milliarden Euro für die Unterstützung der anderen zu tragen. Aber nicht mehr. Und auch nicht einseitig. Dass Deutschland heute so stark und so stabil dasteht, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis der Opfer seiner Bürgerinnen und Bürger. Die haben nämlich genau das geleistet, was sich die anderen glaubten, ersparen zu können. Es kann ja nicht sein, dass – wie eine Statistik in der Vorwoche belegte – Franzosen sechs Wochen weniger arbeiten als ihre deutschen Nachbarn. Ja, unsere europäischen Freunde sollen im Wettbewerb die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben wie wir. Aber dafür müssen sie auch genauso viel tun. Die jetzige Bewertung besagt genau dies.
Die Verantwortlichen in der EU und den Mitgliedstaaten können das verhasste Papier aus Washington deshalb durchaus ernst nehmen. Denn es beinhaltet mehr als eine verantwortungslose Spielerei mit Schulnoten. Die Mahnung, dass eine Rezession unverantwortlich wäre, stimmt. Die Währungsunion braucht – ebenso wie die Nicht-Euro-Staaten – einen massiven, andauernden Wachstumsschub. Sparen alleine heilt die Ursachen der Probleme nicht, wenn nicht gleichzeitig investiert wird.
Der EU-Gipfel in zwei Wochen will diesen Akzent setzen. Das wäre gut, aber er verändert die Lage der Union nur dann, wenn es nicht bei einem wortreichen Appell bleibt, sondern wenn auch messbare Verbesserungen erreicht werden. Dazu gehören Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit, neue Jobs, Hilfen für Unternehmen, öffentliche Investitionen.
Europa muss nun die Wunden der Vergangenheit verarzten und sich zugleich aufbauen. Das wirkt und beeindruckt am Ende auch diejenigen, die nichts lieber tun als zu investieren.
Wenn ich z.B. den SZ-Kommentar lese:
Ratingagentur Standard & Poor's Götter im Anzug
Die Herabstufung der Euro-Länder läutet eine ganz neue Qualität in der Auseinandersetzung zwischen krisengeschüttelten Regierungen und selbsternannten Bonitätsprüfern ein: Die Ratingagentur Standard & Poor's will kräftig mitmischen und schreckt dabei nicht davor zurück, Länder des Euro-Klubs auf eine Höhe mit Entwicklungsländern zu stellen. Das ist absurd, das ist lächerlich.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ratingagentur-standard-poors-goetter-im-anzug-1.1258602
Klar erscheint mir:
- die durch gigantische Rettungsschirme teuer erkaufte Zeit wurde kaum genutzt um die Ursachen anzugehen. Hier gebe ich Herrn Drewes ausdrücklich recht.
- die EZB ist vom Stablilitätsanker zur Bad-Bank verkommen.
- alle möglichen Versprechungen wurden gebrochen und dadurch Vertrauen verspielt.
- die Ratingagenturen plamierten sich in der Vergangenheit vielfach
(Banken gingen mit Top-Rating pleite, Schrottpapiere erhielten 'AAA' etc.
- es gibt massive wirtschaftliche und politische Interessenkonflikte - ein neutrales objektives Rating ist daher derzeit eine Illusion
- Rating bedeutet letztlich eine Voraussage über die zukünftige Wirtschaftskraft um die Zinslast zu bewältigen. Die Treffergenauigkeit der Prognosen von Wirtschaftwissenschaftler (und mögen sie sich noch so weise nennen...) sind vorsichtig formuliert bescheiden.
- warum USA und GB trotz einer immensen Verschuldung und einer daniederliegenden Wirtschaft noch praktisch überall Top-Ratings erhält ist für mich auch nicht nachvollziehbar.
USA:
S&P Rating: AA+
Moody's: Aaa
Fitch: AAA
Großbritannien:
S&P Rating: AAA
Moody's: Aaa
Fitch: AAA
http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/664765/AAA-bis-Ramsch_So-kreditwuerdig-sind-USA-und-EULaender
Aus meiner Sicht hätten Rating-Agenturen viel viel früher reagieren müssen.
Denn das Herunterstufen verschärft die Notlage eines Landes massiv.
Insofern ist es eine Art von sich selbst erfüllender Prophezeiung.
Wenn ein Land noch halbwegs handlungsfähig ist, und erste die Wirkungen eines Down-Grades dazu führen, daß ein Land die notwendigen Maßnahmen einleitet, dann ergibt Rating Sinn. Es ergibt jedoch keinen Sinn ein Land welches gerade schon abstürzt hinterherzurufen man würde seine Bonität nun herabstufen, Dies wirkt absolut kontraproduktiv. Aber so war es wohl auch vorgesehen.
Fragen die man sich auch stellen sollte:
- warum hat Goldman Sachs dabei Griechenland geholfen die wirklichen Verhältnisse zu verschleiern?
- warum haben wir so viele Ex-Goldman-Sachs Leute an den Schalthebeln der Macht?