Kein anderes Unternehmen in Deutschland bekommt so viel Geld vom Staat wie die Deutsche Bahn. Der Konzern ist „der größte Zuwendungsempfänger“ im Land, wie der Bundesrechnungshof in einem Sonderbericht für das Parlament konstatiert. Rund 14,4 Milliarden Euro an Steuergeldern wurden 2017 in den maroden Konzern gepumpt, außerdem verzichtete der Bund auf 1,4 Milliarden Euro Dividenden. All das geschah vor der Kulisse eines 20 Milliarden Euro hohen Schuldenbergs und steigender Ticketpreise.
Nicht nur diese Zahlen sind unfassbar hoch, unfassbar ist auch die Reaktion der Bundesregierung, die sich seit Jahren vor den entscheidenden Weichenstellungen drückt. Das ist keine Stammtischmeinung, denn der Handlungsbedarf wurde dem Bund vielmehr schon mehrfach vom Bundesrechnungshof ins Aufgabenheft geschrieben.
Vor allem aus dem zuständigen Verkehrsministerium gab es dazu bis zum Jahreswechsel allerdings „sehr wenige Reaktionen“, wie es aus dem Bundesrechnungshof heißt. Dessen Experten äußerten bei einer Pressekonferenz in Berlin gar den Eindruck, ihre Berichte würden „nicht von allen, auch nicht von allen maßgeblich Beteiligten“ gelesen.
Knackige Interviews lösen die Probleme nicht
Mit dem neuen Jahr nahm dann allerdings das Problembewusstsein der Politik und insbesondere des Bundesverkehrsministeriums ein wenig an Fahrt auf. Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU gab ein paar knackige Interviews und bestellte Bahnchef Richard Lutz zum Rapport. Doch das erste Treffen brachte keine brauchbaren konkreten Ergebnisse. Nach Informationen dieser Redaktion wurden die von Lutz vorgelegten Lösungsvorschläge als Frechheit empfunden und der Konzernchef musste noch mal ran. Das zweite Treffen am Donnerstag floppte ebenfalls, so dass ein weiteres Treffen für den 30. Januar anberaumt werden musste. Die Frage dabei ist, wie lange die Verantwortlichen von Bahn und Politik so fortfahren wollen. Vor allem die Bundesregierung muss handeln, damit die Bahn nicht noch mehr in die Miesen fährt und notwendige Investitionen für mehr Qualität und Pünktlichkeit auch tatsächlich stemmen kann. Das ist ihr verfassungsgemäßer Auftrag, wie der Bundesrechnungshof noch einmal ausdrücklich betonte.
Es muss Veränderungen an der Konzernspitze geben
Eine Teilantwort wird wohl darin bestehen müssen, dass der Steuerzahler weitere Milliarden in den Konzern pumpt, denn aus eigener Kraft kann dieser die notwendige Liquidität nicht herstellen. Darüber hinaus muss der Bund aber auch die Frage beantworten, ob es personelle Veränderungen an der Konzernspitze geben muss.
Richard Lutz etwa ist seit gut zwei Jahren im Amt, er war vorher Finanzvorstand bei der Bahn und müsste es eigentlich besser wissen. Ronald Pofalla rückte ebenfalls 2017 in den Bahnvorstand auf, er ist für die Infrastruktur zuständig, die seitdem – auch nach Einschätzung des Rechnungshofes – kaum Verbesserung erfuhr.
Wie aus Bahnkreisen zu hören ist, wird über einen Stabwechsel an der Konzernspitze durchaus nachgedacht. Doch zu den vielen Problemen der Bahn gesellt sich in diesem Zusammenhang ein weiteres hinzu: Es ist derzeit niemand in Sicht, der die Weichen entscheidend umlegen könnte.
Eines sollte der jetzige oder künftige Bahnchef jedoch beherzigen. Er sollte auf seine Mitarbeiter hören – und zwar auf allen Ebenen, bevor er der Bundesregierung neue Vorschläge unterbreitet. Die Mehrheit der Mitarbeiter ist nämlich der Ansicht, dass die internen Arbeitsabläufe und die übergreifende Zusammenarbeit besser organisiert werden müssten. Außerdem wünschen sich die Bahnangestellten, dass ihre Führung die Strategie des Konzerns schärft – mit anderen Worten, sie wollen wissen wohin die Reise denn gehen soll. Nichts anderes wünschen sich die Kunden.