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Leitartikel Der Weg ins Leben lässt sich nicht durchplanen
Melanie Jäger
Melanie Jäger
 |  aktualisiert: 26.05.2018 02:43 Uhr

Wir leben in einer modernen Gesellschaft, in einer Welt, in der alles planbar ist. Je besser der Plan, desto höher, so glauben wir, ist die Wahrscheinlichkeit, dass alles so geschieht, wie man es sich vorgestellt hat. Das mag in manchen Fällen tatsächlich so sein. Eine Grundregel fürs Leben ist es nicht. Allenfalls Abläufe sind planbar, die Natur aber lässt sich nicht steuern wie eine Maschine. Das Leben schert aus, wenn man sich gerade richtig auf Kurs wähnt, es funkt dazwischen, wenn man überhaupt nicht damit rechnet.

Diese Unwägbarkeiten werden jedem mit in die Wiege gelegt. Buchstäblich, denn mit der Geburt beginnt ja die Gratwanderung zwischen Wohlbefinden und Schmerz, Gesundheit und Krankheit, Glück und Trauer. Das gilt für Mutter und Kind gleichermaßen. Wir wissen heute viel über die Abläufe einer Geburt. Über Risiken. Über zu viel oder zu wenig an medizinischer Intervention im Kreißsaal. Wir kennen Erfahrungsberichte von Hebammen. Erlebnisse von Müttern, die vom Traum bis zum Alptraum reichen.

Jede Geburt ist einzigartig

Berichte, die unterschiedlicher nicht sein könnten – und das, obwohl die Geburten teilweise in ein und demselben Kreißsaal mit denselben Hebammen und Ärzten stattgefunden haben. Seltsam? Nein. Weil das Leben ist wie es ist, macht es jede Geburt einzigartig. Abläufe ähneln sich, ja. Aber das, was in den Stunden einer Geburt geschieht, hat niemand wirklich in der Hand. Das Schicksal lässt sich nicht steuern.

Wenn das Verhalten von Geburtshelfern jedoch bewusst oder unbewusst grob und demütigend ist, muss man das auch öffentlich anklagen dürfen. Genau das tut die Bewegung „Roses Revolution“, die auch in Unterfranken Anhänger gefunden hat. Auch hier wurden und werden immer wieder von Frauen, die ihre Geburt traumatisch erlebt haben, rosa Rosen vor Kreißsälen abgelegt. Das ist gut, weil es eine Diskussion befördert, von der letztlich alle profitieren können. Die Frauen aus ihrer Sprachlosigkeit holt. Die weniger sensible Geburtshelfer vielleicht dazu bewegt, sich anders zu verhalten. Doch genauso brachial, wie manche Frauen die Geburt ihres Kindes wahrgenommen haben, so schildern sie sie nun in der Öffentlichkeit, lassen kein Detail aus. Und genau hier überschreiten sie eine Grenze. Denn derlei persönlich empfundene Dramatik schürt große Ängste bei Frauen, die schwanger sind. Die Schonungslosigkeit, die die Frauen beklagen, praktizieren sie nun selbst.

Seelische Verletzungen in einer emotionalen Ausnahmesituation

Natürlich kann Ruppigkeit ein Schock sein für Gebärende. Sie befinden sich in einer emotionalen Ausnahmesituation. Jede Handlung, jedes Wort kann zu seelischen Verletzungen führen. Faktische Hilflosigkeit wird zum Gefühl des völligen Ausgeliefertseins. Geburtshelfer werden plötzlich als Täter wahrgenommen. Das erklärt auch spätere Beschreibungen, die bis zum Vergleich mit einer Vergewaltigung reichen. Doch auch das Geburtshilfeteam befindet sich in einer Ausnahmesituation. Es kämpft nach Kräften um das Leben eines Kindes und womöglich noch um das der Mutter. Und ist danach zu Recht entsetzt über so eine Anklage.

Deshalb ist das miteinander Sprechen so wichtig. Es kann immer ein Notfall eintreten, der einen Plan B mit medizinischer Intervention notwendig macht. Und über den sollte sich jede schwangere Frau vorab informieren. Für Fehler müssen Geburtshelfer zur Verantwortung gezogen werden. Aber wir dürfen nicht anfangen, sie für den schicksalhaften Verlauf einer Geburt verantwortlich zu machen. Denn wenn wir das tun, haben wir uns weit entfernt vom Glauben – und von den Gesetzen der Natur. Dabei ist es doch genau das, was eine Geburt so intensiv macht. Es ist ein Wunder, sagen Eltern beim Blick auf ihr Baby. Ja, das ist es. Ein Wunder der Natur. Und darauf kann es keine Garantie geben. So ist das Leben. Unberechenbar. Von Anfang an.

 
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