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Leitartikel Der undiplomatische Papst kann auch Diplomatie
Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 25.12.2017 03:05 Uhr

Drei Tage war der Papst in Myanmar. Er feierte erstmals eine Messe für die Katholiken vor Ort, er traf die Bischöfe des Landes, zuvor auch buddhistische Mönche, denen er Zusammenarbeit beim Aufbau einer friedlichen und demokratischen Gesellschaft in Myanmar anbot. Päpstlicher Alltag auf Reisen hat sich eingestellt, so könnte man meinen. Und doch bleibt die Frage: Hat der Papst versagt, indem er die derzeit größte politische Krise Myanmars, die systematische Verfolgung der muslimischen Minderheit der Rohingya, nur indirekt erwähnte?

Franziskus mahnte bei seinem Zusammentreffen mit Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi die Achtung „jeder ethnischen Gruppe und ihrer Identität“ sowie den „Aufbau einer gesellschaftlichen Ordnung in Versöhnung und Inklusion“ an. Von „Völkermord“, „ethnischen Säuberungen“, wie sie westliche Beobachter dem Militär des Landes vorwerfen, oder einfach von den Rohingya, sprach der Pontifex nicht. Ein Religionsführer, der weltweit moralische Autorität für sich beansprucht, sich wissentlich in einen Konfliktherd begibt und dann seiner von ihm selbst beanspruchten Rolle nicht gerecht wird, wirkt erst einmal schwach.

Franziskus hat schon vor seiner Reise klar Stellung bezogen

Franziskus hat in der Vergangenheit klar zum Rohingya-Konflikt Stellung bezogen, er hat Gewalt und Verfolgung überdeutlich verurteilt. Bereits die Monate zurückliegende Entscheidung, die Einladung nach Myanmar anzunehmen, war ein politisches Bekenntnis. Franziskus ist ein politischer Papst, er sieht das Evangelium als Auftrag, global gegen Ungleichheit, Armut und Verfolgung anzugehen. Franziskus hat mit dem starken sozialen Zuschnitt seines Pontifikats Erwartungen geweckt, an denen er sich messen lassen muss.

Die vor Tod und Verfolgung nach Bangladesch geflüchteten Rohingyas sowie der langsam beginnende Demokratisierungsprozess in Myanmar sind der eigentliche Anlass der Reise, auch wenn Franziskus behauptete, vor allem wegen der vergleichsweise winzigen katholischen Gemeinden in die Region gekommen zu sein.

Die Gegend ist ein Schmelztiegel Dutzender Ethnien, deren Zusammenleben oft misslingt. Papst Franziskus weiß, dass Religion nicht selten zur Austragung von Machtfragen benutzt wird. Das ist auch in Myanmar der Fall. Hier gibt es seit Ende der britischen Kolonialzeit separatistische Kämpfe. Das Militär will diese ersticken und schießt dabei weit über das Ziel hinaus. Franziskus musste in den vergangenen Tagen lernen, dass „Rohingya“ eine erst seit den 90er Jahren gebräuchliche Chiffre für politische Ziele ist. Wer das Wort in den Mund nimmt, ergreift eindeutig Partei. Gegen das Militär, für die Volksgruppe.

Schuldzuweisungen vor Ort wären töricht gewesen

Mit dieser expliziten Kritik an den Gewalttätern und noch deutlicheren Worten stünde der Papst moralisch vielleicht besser da, für das friedliche Zusammenleben hätte er hingegen nichts erreicht. Es ist gut, wenn der oft so undiplomatische Papst auch mal den Diplomaten gibt.

Denn trotz der schrecklichen, durch nichts zu rechtfertigenden Verfolgung der Rohingya, gehen das immer noch einflussreiche Militär in Myanmar, die vom Militär beeinflusste Regierung und die anderen Konfliktparteien sehr langsam aufeinander zu. Die Rückführung der Rohingya ist immerhin verabredet. In diesem explosiven Kontext, zu dem auch andere verfolgte Ethnien mit ihren Einzelinteressen zählen, wäre es töricht gewesen, die Situation mit vielleicht berechtigten, aber plakativen Schuldzuweisungen anzuheizen.

Während man im Westen problemlos das Wort „Rohingya“ benutzen kann, ist es in Myanmar politisch konnotiert und ein Grund zur Provokation, der letztlich Menschenleben kosten kann. Deshalb schweigt auch die einst idealisierte und inzwischen umstrittene Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Und deshalb schwieg der Papst.

 
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