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Leitartikel: Der schwierige Fall Drygalla
Von Achim Muth achim.muth@mainpost.de
 |  aktualisiert: 03.08.2012 19:04 Uhr

Er wäre es gerne, aber der Sport ist keine heile Welt. Er ist vielmehr ein Spiegelbild der Gesellschaft. Korruption, Manipulation, Doping, illegale Absprachen. Wo es um Millionen von Euro geht, da wird auch die Verlockung groß. Beispiele jüngster Verfehlungen gibt es zuhauf. Wie aber ist der Fall der jungen Rostocker Ruderin Nadja Drygalla einzuordnen, der eine Nähe zur rechtsextremen Szene und der NPD nachgesagt wird? Ausgelöst hat die Affäre wohl die linke Internetseite „Kombinat Fortschritt“. Darauf befindet sich ein Artikel, der die Beziehung der Ruderin zu einem Mann aus der rechten Szene in Rostock thematisiert. Dieser soll ein Kopf der „Nationalen Sozialisten Rostock“ sein und 2011 für die NPD im Landtagswahlkampf kandidiert haben.

Da es Anfragen von Journalisten gab, hat der Deutsche Olympische Sport Bund (DOSB) die Sportlerin in London zum Gespräch gebeten, in dem sich Drygalla, so Michael Vesper, Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft, von jeglichem rechtsradikalen Gedankengut distanziert habe. Danach war die Ruderin aus eigenen Stücken abgereist, um Schaden von der Olympiamannschaft abzuwenden.

Zunächst irritiert die Aufgeregtheit in der Sache – aber die muss wohl sein in Zeiten von Olympia, jenem Milliardengeschäft, das alle vier Jahre weitgehend unbekannte Sportler für zwei Wochen in das gleißende Licht der Öffentlichkeit zerrt und dann wieder vergisst. Plötzlich ist Drygalla, Mitglied im Frauen-Achter, selbst in jenen Gazetten, die während des Wettkampfs ihren Namen nicht mal in den Ergebnisspalten veröffentlicht haben, ein „Ruderstar“. Das Online-Portal „bild.de“ schrieb gar vom „Nazi-Verdacht gegen deutsche Ruderin“.

Zunächst: Die NPD ist trotz ihrer oft schwer erträglichen Ansichten in Deutschland keine verbotene Partei, ihre Mitglieder sitzen in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Der braunen Ideologie muss die Demokratie deshalb mit ihren Mitteln begegnen: Mit Aufklärung, mit Aufstehen, mit Dialog, mit friedlichem Widerstand – eben so wie es Bürger auf dem Würzburger Marktplatz bei einer NPD-Kundgebung taten just an jenem Tag, als Drygalla aus London abreiste. Zudem warnen Sicherheitsexperten wie der Volkacher Bundestagsabgeordnete Frank Hofmann (SPD) vor „einer Sippenhaft“. Schließlich würde sonst unsere grundgesetzliche Ordnung ins Wanken geraten.

Es bleiben dennoch Ungereimtheiten: Wieso nahm sich der deutsche Sport so spät des Falles an? Denn offenbar ist die Beziehung der Ruderin zu dem Mann mit den NPD-Kontakten spätestens seit 2011 bekannt, da quittierte Nadja Drygalla ihren Polizeidienst. Auf Druck der Behörden, weil ihnen der Lebenspartner mit der rechten Gesinnung nicht passte? Oder weil mehr dahinter steckte? Und wieso drang das jähe Ende ihrer beruflichen Karriere offenbar nicht zum Deutschen Ruderverband durch?

Es bleiben ein bisschen viele Fragen offen in diesem schwierigen Fall. In seiner Stellungnahme für den DOSB hat Michael Vesper noch gesagt, dass sich die Ruderin „zu den Werten der Olympischen Charta“ bekannt habe. Indes: Das haben schon viele getan. Auf Schwüre sollten sich Funktionäre nicht verlassen. Aufklärung tut not. Aber bis dahin gilt auch für Nadja Drygalla die Unschuldsvermutung.

 
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