Heute beginnt in München eine Gerichtsverhandlung um Steuerbetrug, die schon im Vorfeld als „Prozess des Jahres“ bezeichnet wird, als das „Endspiel“ des Uli Hoeneß, als ein Verfahren, das „Rechtsgeschichte“ schreiben könnte. Und das alles ist nicht übertrieben. Mit dem Präsidenten des FC Bayern muss erstmalig ein Prominenter um die Rechtmäßigkeit seiner Selbstanzeige kämpfen. Es wird Uli Hoeneß' bislang größter Kampf.
Rein juristisch geht es darum, ob seine Selbstanzeige ausreichend war oder verunglückt, weil unvollständig oder zu spät eingereicht. Somit würde sie nicht von Strafe befreien, könnte aber strafmildernd wirken. Richtig spannend wäre dann, ob die Selbstanzeige ausreicht, die Strafe auf Bewährung auszusetzen. Denn die Steuerfahnder errechneten eine hinterzogene Steuerschuld von 3,5 Millionen Euro. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs droht ab einer Million Euro Gefängnis ohne Bewährung.
Im Januar dieses Jahres wurde der ehemalige Chefredakteur der „Zeit“, Theo Sommer, wegen Steuerhinterziehung zu einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Er hatte dem Staat 649 000 Euro Steuern vorenthalten. Ab einem Strafmaß von zwei Jahren ist keine Bewährungsstrafe möglich. Es könnte also knapp werden für Uli Hoeneß.
Verloren hat er schon jetzt sehr viel. Seine moralische und soziale Integrität leidet durch die millionenschwere Steuerhinterziehung schwer. Als Mahner und Warner trat er gerne in der Öffentlichkeit auf, diese Rolle hat er sich selbst genommen. Auch wenn der FC Bayern geschlossen hinter ihm steht, auch wenn Spieler und Fans ihm weiter zujubeln. Denn Hoeneß hat viel getan– für seinen Verein, den Fußball, für Mitarbeiter, die in Not geraten waren, für die Zivilcourage. Man denke nur an die viel beachtete Rede eine Woche nach dem Tod von Dominik Brunner, der Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, nachdem er sich schützend vor Kinder gestellt hatte.
Das alles ist nicht weg, Uli Hoeneß nicht plötzlich ein schlechter Mensch. Aber er hat den Staat, das Gemeinwohl um sehr viel Geld betrogen. Und die Gesellschaft schaut heute genauer hin, sei es bei Dissertationen, sei es bei Korruption, Bestechlichkeit oder Steuerbetrug. Steuerhinterziehung war viele Jahre eine Art Breitensport der Besserverdienenden. Diese Zeiten sind vorbei.
Das ist zunächst ein gesellschaftlicher Fortschritt. Klüngel, Korruption, Plagiate, Steuerbetrug werden nicht mehr stillschweigend toleriert. Die Skandalisierung in der Medienöffentlichkeit kann Karrieren zerstören, aber sie schreckt auch ab und kann den sozialen Zusammenhalt dadurch sogar stabilisieren. Schadenfreude ist nun mal die schönste Freude, zumal wenn es einen Promi erwischt. Schwer erträglich aber wird die Scheinheiligkeit und Heuchelei bei den meisten dieser Debatten. Denn wer ist schon ohne Schuld? Wer kann die Hand dafür ins Feuer legen, dass seine Steuererklärungen immer korrekt waren, dass er seine Putzfrau ordentlich gemeldet und noch nie Schwarzarbeit in Anspruch genommen oder selbst geleistet?
Vor Gericht entscheiden unabhängige Richter. Auch ein Fußballweltmeister muss sich Recht und Gesetz beugen. Die Gesellschaft aber sollte es mit der puritanischen Korrektheit nicht übertreiben. Hoeneß hat eine zweite Chance verdient. Zur Vergebung freilich gehören Reue und Demut. Die Abteilung Attacke sollte Uli Hoeneß besser nicht geben.
Ich habe in der MP noch nicht gelesen, dass Herr Hoeneß auch seine hinterzogenen Steuern bezahlen will, die vor der Verjährung liegen. Wenn er das machen würde, würde ich ihn wieder als anständigen Menschen respektieren.