Das Wahlergebnis vom Dienstag muss aus Sicht des Weißen Hauses geradezu unfair wirken. Denn die große Mehrheit der Amerikaner hat vor der Abstimmung die Wirtschaft als wichtigstes Thema identifiziert. Und die diesbezüglichen Daten sind so gut wie lange nicht. Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman hat Obama in der „New York Times“ sogar eben noch als einen der erfolgreichsten Präsidenten der US-Geschichte bezeichnet.
Davon ist in den Portemonnaies vieler Bürger aber wenig zu spüren. Ebola, der Islamische Staat und die Ukraine-Krise haben die Stimmung zusätzlich verfinstert, auch dafür kann Obama wenig. Unzufriedenheit und Ängste entladen sich in einer Demokratie tendenziell an dem, der am Steuer sitzt. Obendrein standen diesmal im Senat mehr Sitze von Demokraten zur Wahl als solche von Republikanern.
Inhaltlich hat die Opposition sich nicht sonderlich bemüht: Konservative Wahlwerbung blieb auf die Unzufriedenheit mit dem Weißen Haus fokussiert, einen Zukunftsentwurf gab es nicht. Auch der designierte neue Mehrheitsführer im Senat hat bislang nur erkennen lassen, was er nicht will – Obamas Erfolge im Gesundheitswesen, an der Wall Street oder beim Umweltschutz erhalten, seine Pläne für eine Einwanderungsreform oder für eine modernere Infrastruktur Wirklichkeit werden lassen. Außer Steuersenkungen gibt es aus dem konservativen Lager nicht einmal für die oft beschworene Belebung des Arbeitsmarkts eine konkrete Vision.
Wie kann man so Wahlen gewinnen? Tatsächlich standen die Republikaner in den vergangenen Jahren mehrfach davor, im Senat die Führung zu übernehmen. Diesmal haben sie die Früchte einer Strategie geerntet, die sie seit Obamas Wahl verfolgen: Dass der Kongress dem Präsidenten von Anfang an so gut wie jede Zusammenarbeit verweigerte, hinderte Obama daran, ein zentrales Wahlversprechen zu erfüllen, dasjenige der Kooperation. Es ließ ihn überdies kraftlos erscheinen.
Es gehört zu den politischen Mankos dieses Präsidenten, dass er auf diese Taktik keine Antworten fand. Gleichzeitig hat er den Eindruck der Schwäche selbst befördert – der chaotische Start seiner Gesundheitsreform überdeckt bis heute die Erfolgsgeschichte, zu der sie geworden ist. Andere Versäumnisse wie etwa bei der Veteranenversorgung haben alte Wurzeln, lassen sich nach sechsjähriger Amtszeit aber auch nicht mehr auf die Vorgänger abschieben. Zwischen NSA-Enthüllungen und außenpolitischer Unsicherheit hat sich für viele Wähler ein Gefühl von Kontrollverlust etabliert, das auch in Obamas nachdenklichem Auftreten eine Ursache hat: Der Sehnsucht nach einem souveränen Entscheider, der vorangeht und sich überzeugend erklärt, hat er nicht immer entsprochen.
Obama war der Frust über den Stillstand im Kongress in den vergangenen Monaten anzumerken. Die präsidentiellen Verfügungen, mit denen er behelfsmäßig am Parlament vorbeiregiert, sind von einem Nachfolger leicht zu kassieren; ein bleibendes Erbe kann man damit nicht gestalten. Wenn es ihm nach dieser Wahl gelingt, nicht nur auf Abwehr zu schalten, könnte aus den verbleibenden beiden Amtsjahren aber dennoch mehr werden als eine Abwicklung: Da Obama keine Wahl mehr bestreitet, müssen die Republikaner ihn als Person nicht mehr bekämpfen. Für sie ist es wichtig, bis 2016 das Image der Neinsager abzulegen.