Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist nach eigenen Angaben leidenschaftlicher Gärtner. Doch er hat sich wohl eine alte Anglerweisheit zu eigen gemacht: „Der Fisch stinkt vom Kopf her“. Sonst wäre kaum erklärbar, dass er er jetzt Matthias Seeger feuerte, den Präsidenten der 40 000 Bundespolizisten. Warum? Da er selbst sich nur kryptisch äußert, ist man auf Vermutungen angewiesen.
Schon das ist armselig. Rein formal darf der Innenminister zwar einen Spitzenbeamten feuern – auch ohne Angabe von Gründen. Aber wer seine Entscheidungen als Spitzenpolitiker dem Wähler nicht richtig erklärt, darf sich hinterher nicht wundern, wenn sie für kleinlichen Murks gehalten werden, nicht für große Staatskunst.
Die Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz) ist das Stiefkind unter den Sicherheitsbehörden des Bundes, schlecht bezahlt, schlecht ausgestattet, überlastet und von Frust geplagt. Dies bezeugen zwei seriöse Studien. Das Image der Bundespolizei ist schlecht, selbst Ordnungshüter aus den Ländern nennen sie boshaft „Bahnpolizei“.
Zuletzt hatten Datenlecks bei Observationen für peinliche Schlagzeilen gesorgt – und Bilder von Bundespolizisten, die in geschmackloser Totenkopf-Montur in Afghanistan posierten. Dem Mann an der Spitze der 40 000 Mitarbeiter wurde vor allem angekreidet, dass er sich standhaft weigerte, einer Zwangs-Vermählung mit dem Bundeskriminalamt zuzustimmen.
Das war vor einem Jahr, und damals hätte der Minister ohne Gesichtsverlust den illoyalen Spitzenbeamten feuern können. Da gilt eine andere Fischer-Regel, wenn man Beute am Haken hat: Der gute Angler weiß, wann er ziehen muss.
Nicht so der Gärtner Friedrich. Er wartete ab, bis die Presse die Drecksarbeit für ihn erledigt hatte, Seeger dank gezielter Indiskretionen sturmreif geschossen war und die Bundespolizei erneut negativ in den Schlagzeilen stand. Erst dann bat er den Untergebenen zum Personalgespräch. Das zeugt von schlechtem Stil. Angebliche Kontakte Seegers zu Sicherheitsbehörden im diktatorischen Weißrussland waren ebenso gezielt gestreute Gemeinheiten wie die Behauptung, er habe nicht einmal Disziplinarmaßnahmen gegen die posierenden Totenkopf-Krieger in Kabul ergriffen.
Mit der Ablösung des Präsidenten ist für Friedrich kein Problem gelöst, aber ein neues entstanden, weil er die Anglerweisheit („Der Fisch stinkt vom Kopf her“) zur Grundlage seines Handelns machte: Schon vor dem Chef der Bundespolizei hatte Ernst Uhrlau als Chef des Bundesnachrichtendienstes gehen müssen. Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamtes, ist zum Jahresende fällig. Heinz Fromm, der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ging, bevor er entlassen wurde.
Dass alle drei über Jahre hinweg gute Arbeit geleistet haben und fachliche Wertschätzung genießen, spielte wohl keine Rolle. Dass sie der SPD nahestehen oder angehören, vielleicht schon eher. Aber nun stehen alle vier Sicherheitsbehörden des Bundes ohne erfahrene Führung da: ein gefährlicher Zustand, den der zuständige Minister zu verantworten hat. Löst man wirklich die Probleme, indem man fachliche Kompetenz an der Spitze einer Behörde durch linientreue Beamte aus dem Umfeld des Ministers ersetzt? Man muss daran zweifeln, nicht aber an der Angler-Weisheit, dass der Fisch meist vom Kopf her stinkt.
Im übrigen halte ich diesen Leitartikel für einen Versuch, diesen Vorgang, der angesichts der großen und die Menschen wirklich bewegenden Themen (z.B. Eurokrise) in den Augen einer breiten Öffentlichkeit ein Randerereignis darstellt, zu skandalisieren und in der Diskussion zu halten.