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Leitartikel Den Hass besiegen und nicht verstärken
Folker Quack
 |  aktualisiert: 12.01.2017 03:35 Uhr

Natürlich ist nach so einem schrecklichen Attentat, wie wir es nun auch in Deutschland erleben mussten, die Politik gefragt. Und zwar nicht nur, indem sie Betroffenheit und Anteilnahme zeigt. Das ist selbstverständlich. Nein, die Bürgerinnen und Bürger erwarten mehr. Sie erwarten mehr Sicherheit, sie erwarten mehr Schutz. Aber gerade jetzt ist es alles andere als einfach, das verlorene Gefühl der Sicherheit zurückzugeben. Viel leichter ist es, Versagen in der Vergangenheit zu suchen, Schuld zuzuweisen.

Deutschland steht wie andere Länder im Fadenkreuz des internationalen Terrors. Der stellt den Hass über die Vernunft. Dieser Priorisierung dürfen wir uns nicht anschließen, sonst haben wir den Kampf gegen die Terroristen schon verloren.

Wenn aber, noch bevor die Verletzten im Krankenhaus sind, Angela Merkels Flüchtlingspolitik für den Anschlag verantwortlich gemacht wird, wenn, noch bevor der Täter feststeht, Ministerpräsident Horst Seehofer eine Neujustierung der Flüchtlingspolitik fordert, dann wäre es zu milde, dies nur populistisch zu nennen. Es ist schäbig, es ist dumm und es schürt im schlimmsten Fall Hass bei besorgten Bürgerinnen und Bürgern.

Nicht nachlässig sein, auch wenn es keinen perfekten Schutz gibt

Denn das Gefühl, in diesem Land nicht mehr sicher zu sein, das müssen Politiker sehr ernst nehmen. Einbrecher, U-Bahn-Schläger, Amokläufer und Attentäter geben diesem Gefühl immer wieder Nahrung. Leider ist es nur zu wahr, dass sich Weihnachtsmärkte, Großveranstaltungen oder U-Bahnhöfe niemals komplett sichern lassen. Aber wir sollten uns nicht so einfach damit abfinden, dass es den perfekten Schutz nicht gibt. Dies wäre ignorant und nachlässig. Beton-Poller, quergestellte Polizeiautos, Videoüberwachung oder verstärkte Sicher- heitskontrollen wie beim Münchner Oktoberfest können den Schutz durchaus erhöhen und es potenziellen Attentätern zumindest so schwer wie nur möglich machen.

Doch nicht nur ihre blutigen und grausamen Taten sollten wir ihnen so schwer wie nur möglich machen, sondern auch deren Wirkung. Möge Bundespräsident Joachim Gauck recht behalten, dass uns der Hass der Täter nicht zu eigenem Hass verführt. Terroristen stellen den Hass über das Leben. Damit versündigen sie sich an jeglicher Form der Menschlichkeit. An deren Stelle setzen sie Verachtung, Unvernunft und brutale Gewalt.

Mit Vernunft und Besonnenheit gegen Hass und Dummheit

Gelingt es uns, in schweren Zeiten wie diesen Vernunft und Besonnenheit dem entgegenzusetzen? Dazu gehört dann auch, die Ursache eines Attentats nicht unreflektiert Flüchtlingen zuzuschieben. Ja, es gibt Terroristen, die den Flüchtlingsstrom nutzen, um ins Land zu kommen und es gibt Radikale, die Flüchtlinge – aber nicht nur die – auf ihre Seite ziehen. Da heißt es wachsam bleiben.

Deshalb eine ganze Gruppe unter Generalverdacht zu stellen, wäre töricht. Man mag es einem verunsicherten Bürger nachsehen, der die allgemeine Unsicherheit nicht erträgt und der mithilfe seiner Vorurteile zumindest in seinen Gedanken Sicherheit haben möchte. Vernünftig ist das nicht: Die meisten sexuellen Missbrauchsfälle und die meisten Tötungsdelikte finden zwischen Verwandten oder Bekannten statt. Kein Mensch käme deshalb auf die Idee, Verwandte per se als verdächtig einzustufen. Es wäre ja auch ziemlich blöd.

Beim Flüchtling kommt freilich noch das Merkmal Moslem dazu, das ihn für viele verdächtig macht. Auch Christen haben in der Geschichte grausam gemordet. Aber aktuell besteht nun mal die Kriegserklärung der Terroristen des IS gegenüber der ganzen westlichen Welt, gegen unsere Freiheit, unsere Art zu leben. Nehmen wir sie nicht an, bekämpfen wir die Terroristen als das, was sie sind – grausame, hasserfüllte und feige Mörder. Sie haben es nicht verdient, von uns als Repräsentanten der muslimischen Welt anerkannt zu werden.

 
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Kommentare
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  • spiesheimer
    "Mit Vernunft und Besonnenheit gegen Hass und Dummheit"

    Solange bei Politikern und Medien die Meinung vorherrscht und öffentlich gemacht wird, jeder, der eine andere Meinung hat als die politisch gewollte, sei dumm, so lange wird genau diese Abneigung auf Politiker und Medien verstärkt.

    Wer nun nach solchen Berichten dumm ist und wer nicht, das entscheiden dann in 2017 die Wähler.
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