Die Zahlen klingen besorgniserregend: 48 Prozent der Menschen in Bayern, so hat es eine seriös erstellte Meinungsumfrage ergeben, sind mit der Demokratie in Deutschland unzufrieden. Gleichzeitig geben stolze 85 Prozent an, insgesamt von den etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke und FDP enttäuscht oder teilweise enttäuscht zu sein.
Was ist da los? Droht trotz wirtschaftlich hervorragender Lage auch bei uns ein Aufstand der Enttäuschten a la Trump und Brexit? Ein Aufstand, der vermeintlich verkrustete Eliten von ihren weichen Sesseln blasen will – und am besten auch noch die althergebrachten Institutionen infrage stellt?
Folgt man der von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung beauftragten Analyse, muss man zu dem Schluss kommen: Das Potenzial dafür ist auch in Bayern in jedem Fall vorhanden. So hat sich etwa die Zahl der notorischen Nichtwähler seit 2010 auf 18 Prozent verdoppelt, während bei allen etablierten Parteien der Anteil der Stammwähler massiv einbricht. Und mit 43 Prozent können sich sogar mehr Menschen in Bayern vorstellen, unter bestimmten Umständen die neuen Rechtsaußen von der AfD zu wählen, als die mehr als 150 Jahre alte Traditionspartei SPD.
Unzufriedenheit mit konkreten Entscheidungen
Wer die aufschlussreiche Analyse genauer prüft, kann allerdings auch feststellen: Es ist bislang nicht eine grundsätzliche Abkehr vom demokratischen System und auch nicht von der Idee großer, integrierender Volksparteien, die die Enttäuschten antreibt. Ihre Abwendung fußt vielmehr in einer großen Unzufriedenheit mit konkreten politischen Entscheidungen und den dafür verantwortlichen Politikern – vor allem in der Flüchtlingspolitik und bei der inneren Sicherheit.
Offensichtlich wird aber von vielen Enttäuschten die themenbezogene Kritik an aktuellen politischen Entscheidungen mit einer Grundsatzkritik am politischen System gleichgesetzt. Eine gefährliche Vermischung – schließlich leben Demokratien vom Meinungsstreit, aber auch von der Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen.
Ein Grund für diese Vermischung könnte in einer zuletzt allzu großen Angleichung der Angebote der etablierten politischen Parteien liegen: In Zeiten, in denen in der Gesellschaft die Meinungen zu zentralen Fragen wieder weiter auseinanderliegen, brauchen die Wähler jedoch offenbar politische Angebote, die sie auch unterscheiden können. Mehr Polarisierung und Meinungsstreit zwischen den politischen Farben könnte deshalb sehr fruchtbar sein – was allerdings die zuletzt geschwundene gesellschaftliche Bereitschaft voraussetzt, abweichende Meinungen anderer auch zuzulassen und ernst zu nehmen.
Meinungsstreit und Polarisierung nötig
Ein weiterer Grund für die Abwendung vieler Menschen vom politischen Diskurs könnte in der Selbsteinschätzung einer Mehrheit der Bayern zu finden sein, trotz wachsendem Interesse an politischen Themen über Politik nicht gut informiert zu sein. Offenbar führt die Unübersichtlichkeit und Gegensätzlichkeit digitaler Informationen bei vielen Menschen eher zu Verwirrung, denn zu Klarheit. Eine Erkenntnis, die die zuletzt oft gescholtenen klassischen Medien für sich nutzen sollten – indem sie, statt selbst Emotionen zu bedienen, noch mehr Augenmerk auf verlässliche Fakten und fundierte Einschätzungen legen.
Einfacher wird Politik aber auch in Bayern sicher nicht: Die Parteien etwa werden noch härter an ihrem politischen Profil und an ihrer Kommunikation arbeiten müssen, um die Wähler immer wieder aufs Neue für sich gewinnen zu können.
Trotzdem ist Politik in einer Demokratie nie nur eine Bringschuld von Parteien, Medien oder sogenannten Eliten. Auch jeder Bürger ist gefordert, sich politisch zu informieren, sich zu engagieren, sich bei Wahlen zu beteiligen. Demokratie braucht Demokraten. Sonst funktioniert sie nicht.
Man sollte sein Augenmerk nicht auf die so genannte große Politik - gemeint ist die Bundes- und Landesebene - allein richten. Die Mauscheleien beginnen doch schon in der Kommunalpolitik. Hier spüren die Bürger*Innen zuerst, wenn beispielsweise der Grundsatz der Gleichbehandlung (der schon im Schulunterricht im Fach Sozialkunde erörtert wird) geradezu mit Füßen getreten wird.
So werden grenzwertige Baumaßnahmen bei bestimmten Bauwilligen "durchgewinkt", während man bei anderen eifrig bemüht ist, irgendein Haar in der Suppe zu finden, um ein Vorhaben nicht genehmigen zu müssen. Die Bauaufsichtsbehörden zeigen sich dann oftmals wie zahnlose Papiertiger.
Die Politik(er)verdrossenheit gab es schon vorher und beruhte schon damals auf der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ("Wasser predigen und Wein saufen").
Oder mal ganz konkret gefragt: worin unterscheiden sich eine Demokratie à la Deutschland heute und eine "gemäßigte verfasste Monarchie"? Antwort: nur darin, dass in der Demokratie alle paar Jahre die Leute ankreuzen dürfen, wer sich die Taschen auf ihre Kosten füllen und die Arbeit "der Verwaltung" überlassen darf.
Geld-/ Wirtschaftspolitik? Die EZB ist an allem schuld.
Gesetzgebung? Lässt man sich die Entwürfe von den Konzernen schreiben.
Steuerpolitik? Restriktive Regeln für die Kleinen, großzügige für die Großen.
Umweltpolitik? Erst mal abwarten, was die anderen tun.
Usw., usf.
Aber: Geld einsacken wie höchstbezahlte Richter und Renten im Überfluss.
Wie soll denn das zusammenpassen?! Da müsste man ran...