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Leitartikel: Das Phänomen Angela Merkel
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 |  aktualisiert: 13.04.2014 19:21 Uhr

Edmund Stoiber, Jürgen Rüttgers und Christian Wulff sind längst aus der Politik ausgeschieden, Roland Koch verdient sein Geld als Chef eines Baukonzerns, Friedrich Merz als Rechtsanwalt, Günther Oettinger ist zur EU-Kommission gewechselt und Peter Müller ans Bundesverfassungsgericht. Von den starken Männern der Union, die sich vor einem guten Jahrzehnt Hoffnungen machten, irgendwann einmal Gerhard Schröder abzulösen, redet niemand mehr. Stattdessen regiert im neunten Jahr unangefochtener denn je eine Frau, die damals nicht sicher sein konnte, dass die eigene Partei geschlossen hinter ihr stehen und sie als Führungsfigur akzeptieren würde.

Doch Angela Merkel hat es allen gezeigt. Seit Donnerstag ist sie der Kanzler mit der drittlängsten Amtszeit, mit 3061 Tagen im Kanzleramt überholte sie Helmut Schmidt, nun liegen nur noch Konrad Adenauer und Helmut Kohl vor ihr. Aus „Kohls Mädchen“, das als Folge der CDU-Schwarzgeldaffäre an die Spitze der Partei gewählt wurde, weil es als Ostdeutsche unbelastet war und glaubwürdig den Neuanfang verkörperte, ist längst eine starke, von den Deutschen geachtete und weltweit geschätzte Regierungschefin geworden, die geschickt mit dem Instrumentarium der Macht umzugehen weiß und fester denn je im Sattel sitzt.

Die Deutschen setzen auf Sicherheit und Stabilität, sie bevorzugen einen Kurs des Ausgleichs und des Konsens, politische Experimente mögen sie nicht, einen Ausschlag ins Extreme erst recht. Angela Merkel verkörpert wie niemand sonst auf der politischen Bühne diesen Wunsch nach einem harmonischen Miteinander. Sie nimmt sich selber in der Öffentlichkeit zurück, bleibt gerne im Ungefähren und im Vagen, legt sich nicht fest und erhält sich auf diese Weise den Spielraum für Kompromisse. Konflikte löst sie am liebsten hinter verschlossenen Türen.

Merkel ist ein Phänomen. Nach den Gesetzen der modernen Mediendemokratie dürfte sie keinen Erfolg haben, doch gerade weil sie sich diesen Gesetzen konsequent verweigert, ist sie erfolgreich. In der DDR hat die Tochter eines protestantischen Pastors gelernt, sich anzupassen, ohne aufzufallen. Diese Anpassungsfähigkeit hat ihr auch im Kanzleramt geholfen. Aus der radikalen Reformerin des Leipziger Parteitags wurde die geschmeidige Pragmatikerin, die ohne mit der Wimper zu zucken christdemokratische Programmatik über Bord schmeißt, wenn sich diese als hinderlich oder gar überholt erweist.

Ausstieg aus der Atomenergie, Abschaffung der Wehrpflicht, nun Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes, abschlagsfreie Rente mit 63 oder doppelte Staatsbürgerschaft – lang ist die Liste ur-sozialdemokratischer wie grüner Forderungen, die sie umgesetzt hat. Geschadet hat ihr dies nie, eher der SPD und den Grünen, die im neunten Jahr der Kanzlerschaft Merkels weiter denn je von eigener Mehrheit entfernt sind.

Die Beliebtheitsliste führt Merkel noch immer an, sie selber zeigt keine Ermüdungserscheinungen. Um Konrad Adenauer einzuholen, müsste sie noch bis Dezember 2019 regieren. Unmöglich erscheint dies nicht, in der CDU ist niemand in Sicht, der ihr dies streitig machen würde. Und doch dürfte die Kanzlerin für sich selbst längst entschieden haben, dass sie nicht so enden will wie Adenauer und Kohl, die sich bis zuletzt ans Amt klammerten.

 
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