Es war nur ein Satz, aber der hatte es in sich. Als in der Griechenland-Debatte des Bundestags Ende Juni Linksfraktionschef Gregor Gysi die SPD heftig attackierte und ihr mangelnde Solidarität mit dem griechischen Volk vorwarf, da sie nun „da“ sitze, nämlich auf der Regierungsbank, da schlug SPD-Chef Sigmar Gabriel zurück. Die SPD sitze „da“, konterte er, „weil wir seit 1925 die Vereinigten Staaten von Europa verteidigen und für Demokratie und Freiheit in Europa eingetreten sind, als Nationalsozialisten und Kommunisten uns dafür noch verfolgt haben“. Der Treffer verfehlte seine Wirkung nicht. Die Linke, sonst um laute Zwischenrufe nicht verlegen, blieb stumm.
Ein kurzer Wortwechsel nur, der noch dazu in der großen Auseinandersetzung um die Zukunft des Euro völlig unterging. Und doch ist der Schlagabtausch zwischen Gregor Gysi und Sigmar Gabriel symptomatisch für das zerrüttete Verhältnis zwischen der SPD und der Linkspartei. Zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl könnte der Graben nicht tiefer, die ideologische Kluft nicht größer sein. Es begann mit der Annexion der Krim und setzt sich bei Griechenland fort – in den großen Fragen der Tagespolitik gibt es praktisch nichts mehr, was die beiden Parteien noch verbindet.
Das liegt nicht nur daran, dass die einen am Kabinettstisch, die anderen auf den harten Bänken der Opposition sitzen. Vielmehr geht es ums Grundsätzliche: Während Gabriel gegen massive Widerstände in den eigenen Reihen die SPD in der Mitte platzieren will, siehe Vorratsdatenspeicherung oder Griechenland, hat die Linke von der Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik bis zu den Grundprinzipien der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik völlig andere Vorstellungen. Sie stellt das „System“, wie sie den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat verächtlich nennt, grundsätzlich infrage und will eine andere Republik. Sie kann mit der Marktwirtschaft nichts anfangen und plädiert für eine radikale Umverteilung. Sie bewundert Wladimir Putin und rechtfertigt die Annexion der Krim, sie feiert Alexis Tsipras als Helden und sie hat bis heute ihr Verhältnis zur Bundeswehr wie zur Nato nicht geklärt.
Mit dem Rücktritt von Gregor Gysi, der bei allen politischen und ideologischen Differenzen für eine mögliche Zusammenarbeit der Linken mit der SPD stand und die Barrieren nie zu hoch werden ließ, und dem Aufstieg von Sahra Wagenknecht an die Spitze der Fraktion dürften der Ton deutlich rauer und die Differenzen noch größer werden. Wagenknecht, einst Wortführerin der kommunistischen Plattform und Frontfrau des linken Flügels, lehnt jede Zusammenarbeit mit der SPD entschieden ab.
Damit aber sind die Weichen für die Bundestagswahl 2017 gestellt. Eine rot-rot-grüne Option gibt es nicht, weil keine Basis dafür vorhanden ist. Es fehlt an gemeinsamen Inhalten, gar an einer gemeinsamen Sprache. Thüringen ist kein Modell, da auf Bundesebene weit und breit kein Bodo Ramelow in Sicht ist. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel ist dies ein strategisches Desaster – seine SPD hat wie schon 2009 und 2013 keine reelle Machtoption. Für Rot-Grün reicht es nicht. Er kann nur auf die Fortsetzung der Großen Koalition hoffen. Wenn ihm da nicht Angela Merkel einen Strich durch die Rechnung macht. Denn die hat sehr wohl eine Alternative zur SPD. Schwarz-Grün ist schon lange kein Hirngespinst mehr. 2013 scheiterte es noch an den Grünen, in zwei Jahren könnte die Zeit dafür reif sein.
Es geht hier nicht nur um ein paar Windräder und Sonnenkollektoren (obwohl wahrscheinlich alleine schon das einer Koalition hinreichend im Weg stünde - wenn Horst Seehofer an Bord bleibt). Eigentlich bedeutet Grüne Politik eine Abkehr vom Euro, Euro über alles hin zu mehr Nachhaltigkeit und globaler Fairness. Entweder kommt bei Koalitionsverhandlungen etwas Tragfähiges heraus - oder die Grünen-Funktionär/innen können sich schon mal bei denen von der FDP erkundigen, was Abstrafung durch die enttäuschten Wähler/innen bedeuten kann...
Zum Glück sind die Grünen die einzige Partei, wo sich die Führungsebene (noch) vor der Basis "fürchtet"...