Da waren's nur noch zwei. Von den 16 Landeshauptstädten in der Republik sind seit vergangenem Sonntag nur noch Düsseldorf und Dresden in den Händen der CDU. Kaum besser wird es für die Partei von Angela Merkel, wenn man auf die Liste der 20 größten Städte dieses Landes blickt: Lediglich in drei Rathäusern sitzen Bürgermeister mit einem CDU-Parteibuch, nämlich in Düsseldorf, Dresden und Wuppertal, nachdem die SPD erst vor kurzem Duisburg und Frankfurt (Main) zurückerobert hatte.
Und nun ging auch noch die schwarze Hochburg Stuttgart, seit 1974 CDU-regiert, verloren; zum ersten Mal ist das Rathaus einer Landeshauptstadt in den Händen der Grünen.
Der Befund ist nicht neu: Die CDU hat schon seit langem ein Großstadtproblem. Doch die schweren Niederlagen in den Wirtschaftsmetropolen und bürgerlichen Hochburgen Frankfurt und Stuttgart, die anders als die Arbeiterstädte des Ruhrpotts sowie die Stadtstaaten von einer breiten und wohlhabenden Mittelschicht geprägt sind, haben die Defizite der Union in aller Deutlichkeit offengelegt. Selbst in Städten mit einer bürgerlich-liberalen Mehrheit kann das selbst ernannte bürgerliche Lager nicht mehr automatisch auf Sieg setzen, wenn Kandidat und Botschaft nicht stimmen. Und die Grünen sind alles, nur keine Bürgerschrecks mehr, sondern vielmehr von der Mitte der Gesellschaft akzeptiert.
Offensichtlich ist, dass die CDU den Anschluss an das neu entstandene urbane Milieu verloren hat, das über einen hohen Bildungsgrad, ein hohes Einkommen und ein hohes Sozialprestige verfügt, sich politisch eher links einordnet, gleichzeitig jedoch einen ausgesprochen bürgerlichen Lebensstil pflegt.
Schon im Jahre 2002 erkannte Angela Merkel, damals gerade erst zwei Jahre als CDU-Chefin im Amt, das Großstadtproblem ihrer Partei und setzte eine achtköpfige Kommission unter Leitung von Jürgen Rüttgers ein, die Vorschläge erarbeiten sollte, wie die CDU wieder den Anschluss an die neue urbane Mittelschicht finden könnte. Doch außer einem Zwischenbericht im Jahre 2004 brachte diese Kommission nichts mehr zustande.
Als Bundeskanzlerin warf Merkel ab 2005 programmatische Altlasten über Bord und positionierte die CDU von der Familien- über die Gesellschafts- bis zur Energiepolitik völlig neu. Aber auch diese samtene Revolution blieb bislang ohne greifbaren Erfolg bei der städtischen Zielgruppe. Die bevorzugt weiterhin das Original.
Ihre chronische Schwäche in den Großstädten kann die CDU noch kompensieren durch ihre Stärke in den ländlichen Regionen sowie in der Altersgruppe der Über-60-Jährigen. Doch auch diese Basis ist am Bröckeln. So verlor die Union innerhalb von zwei Jahren die Mehrheit in den beiden großen Flächenländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, im Januar könnte Niedersachsen folgen.
Und so allmählich erreichen die Alt-68er das Rentenalter, die bis heute wenig mit der Union am Hut haben. So stellte Jürgen Rüttgers vor acht Jahren fast schon resigniert fest: „Ob die alte Lebensweisheit ,Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz, und wer mit 40 noch links ist, keinen Verstand' weiter ihre Gültigkeit behält, ist offen.“ Es drohe das „Ende des für die Union günstigen Lebenszykluseffektes“. Daran hat sich nichts geändert.