Wem die Kraft und die Entschlossenheit zu großen Zielen fehlen, der muss sich zwangsläufig mit kleinen Erfolgen zufriedengeben. Nach diesem Motto verfährt derzeit die schwarz-gelbe Koalition, die eigentlich am Ende ist, ausgelaugt und geprägt von gegenseitigem Misstrauen, sich aber doch noch bis zum Ende der Legislaturperiode in eineinhalb Jahren im Amt halten will, egal wie.
Die Spitzen von Union und FDP feiern die Ergebnisse des Koalitionsgipfels überschwänglich als großen Erfolg und rühmen demonstrativ ihre Einigkeit. Dabei konnte das Treffen nur deshalb zu einem Erfolg werden, weil die Koalitionäre alle strittigen Themen von der Vorratsdatenspeicherung über die Pflegereform, das Betreuungsgeld und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm bis zum Mindestlohn erst gar nicht auf die Tagesordnung setzten, sondern sich ausschließlich auf das verständigten, was intern schon vorher weitestgehend geklärt war. Dafür hätte es keines Treffens bedurft.
So funktionieren in der Regel Gipfel auf internationaler Ebene, die unter allen Umständen ein Ergebnis präsentieren müssen. Für eine Regierung aber ist diese Reduzierung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner viel zu wenig. Sie wurde gewählt, die Probleme zu lösen, nicht zu vertagen.
Immerhin, zwei Wochen nach dem Beinahe-Bruch der schwarz-gelben Koalition bei der Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen Christian Wulff haben Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp Rösler die Gelegenheit genutzt, nicht nur übereinander, sondern miteinander zu reden.
Gleichwohl ist seit dem 19. Februar, als Rösler und seine Liberalen Kanzlerin Merkel die bisher schwerste Niederlage in ihrer Amtszeit zufügten, nichts mehr so, wie es vorher war. Merkel hat ein Elefantengedächtnis und ist nicht bereit, sich noch einmal öffentlich so vorführen zu lassen. Die Union sinnt auf Rache und fordert nun ein Nachgeben der Liberalen bei anderen Themen, die ihr am Herzen liegen, wie der Vorratsdatenspeicherung. Die FDP denkt mit Blick auf die fürs politische Überleben so wichtigen Wahlen im Saarland Ende März und in Schleswig-Holstein Anfang Mai gar nicht daran, klein beizugeben.
Angela Merkel, die pragmatische, manche sagen auch profillose christdemokratisch-sozialdemokratisch-liberal-grüne Kanzlerin, hat sich innerlich schon längst von den Liberalen verabschiedet und ebnet den Weg nach dem Modell Gauck und Euro-Rettung für eine Quasi-All-Parteien-Koalition mit ebenso staatstragenden wie zahmen Sozialdemokraten und bürgerlichen Grünen. Für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt, ebenso wie für die jetzt vereinbarten erweiterten Kooperationsmöglichkeiten von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich braucht die Regierung ohnehin die Zustimmung der Opposition sowie der Länder. Bei zahllosen Sachfragen stehen sich Union und SPD längst näher als Union und FDP.
Bis zum 6. Mai, dem Tag der Wahl in Schleswig-Holstein, herrscht Burgfrieden in Berlin, um es den schwarz-gelben Wahlkämpfern zwischen Nord- und Ostsee nicht noch schwerer zu machen.
Danach aber wird die Taktik des Ausklammerns und Vertagens nicht mehr helfen. Spätestens bei der Verabschiedung des ESM wird sich zeigen, ob diese Koalition noch eine Zukunft hat.