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BRÜSSEL
Leitartikel: Brexit-Drama wird zur unendlichen Geschichte
byl
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:48 Uhr

Das Brexit-Drama im Königreich sollte eigentlich an diesem Dienstag seinen Höhepunkt erreichen. Dann wollte das Parlament über das Austrittsabkommen abstimmen. Doch Premierministerin Theresa May verließ im letzten Moment der Glaube an ein Wunder. Ein Wunder aber wäre nötig gewesen, um das Votum nicht zu verlieren. Alles Werben für den ausgehandelten Kompromiss zwischen London und Brüssel war bislang vergeblich: Sowohl die Mehrheit der Abgeordneten als auch der Großteil der Bevölkerung sträuben sich gegen den Deal.

Manchmal kann man nicht mehr genau ausmachen, ob die Ablehnung wirklich dem Scheidungsvertrag gilt oder vielmehr der Person Theresa May, die ihn fast verzweifelt anpreist. Dass sie die Abstimmung verschiebt, ist eine krachende Niederlage. Sie mag sich nun mehr Zeit verschafft haben, und unter Umständen kann sie in Brüssel kosmetische Änderungen durchsetzen. Dass die EU aber nochmals das Vertragspaket aufschnüren wird, ist ausgeschlossen.

Brüssel kann London eigentlich gar nicht mehr ernst nehmen

Ohnehin muss man sich fragen, wie Brüssel Großbritannien noch ernst nehmen kann angesichts des politischen Wahnsinns, der auf der Insel herrscht. Selbst wenn Theresa May etwas bei der EU erreicht, muss sie danach abermals das Land von dem Vertrag überzeugen. Dabei verkauft sie ihre eigene Politik äußerst schlecht. Roboterhaft wiederholt sie immer dieselben Sätze. Doch keiner will mehr zuhören.

Dass sie nun aufgeben musste, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Unbeholfen erzählte sie wochenlang den EU-Freunden auf der Insel, dass sie doch bitte ihr Abkommen unterstützen sollen, weil sonst ein ungeordneter Austritt ohne Deal drohe. Gleichzeitig warnte May die Brexit-Anhänger davor, dass diese am Ende ohne Brexit dastehen könnten, sollten sie den Vertrag ablehnen. Was die Premierministerin ignorierte: Die beiden Seiten vernahmen aber natürlich sehr genau, was May der jeweils anderen verklickerte. Es sei, als ob jemand eine WhatsApp-Konversation auf Twitter führe, verglich ein Kommentator die zum Scheitern verurteilte Taktik.

May beging einen Fehler nach dem anderen. Weder kommunizierte sie ihr Vorgehen in den Brexit-Verhandlungen innerhalb der Partei oder zumindest innerhalb ihres Kabinetts, noch erklärte sie der Bevölkerung, wo die Schwierigkeiten beim Scheidungsprozedere liegen. Stattdessen bestärkte sie die Brexit-Anhänger in ihrer Fantasiewelt, in ihrem Traum von einer glorreichen Zukunft des Königreichs. Deren jetzige Ablehnung für den Deal, der Zugeständnisse an die EU macht, kommt also kaum überraschend.

Die Gräben in Großbritannien werden immer tiefer

Zu Mays größten Misserfolgen gehört zudem, dass sie es verpasst hat, das bereits beim Referendum im Juni 2016 tief gespaltene Land zu einen. Es präsentiert sich heute zerstrittener denn je, die Gräben zwischen Brexit-Anhängern und -Gegnern sind tief. May verschmähte zu lange die Europafreunde und hechelte lieber der harten Rhetorik der Ideologen hinterher. So engten ihre selbst gezogenen roten Linien den Verhandlungsspielraum ein: Der vorliegende Kompromiss ist also der bestmögliche. Doch er stellt weder die Brexit-Gegner zufrieden noch die Brexiteers in ihrer Partei, denen sie sich so lange angebiedert hat.

Theresa May steht alleine da. Nicht einmal die Bevölkerung hat sie hinter sich, wie Umfragen zeigen. Während manche ein weiteres Referendum fordern, wünschen andere, dass der EU-Austritt endlich vollzogen wird. Brexit. Basta.

Dass derweil der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden hat, dass das Königreich den EU-Austritt noch stoppen und Mitglied in der Gemeinschaft bleiben könnte, nährt vielleicht die Hoffnungen der EU-Freunde auf dem Kontinent. Doch an der politischen Realität auf der Insel gehen diese völlig vorbei.

 
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