Der Hype um das Champions-League-Finale ist seit Tagen riesig. Selten stand ein Fußballspiel vor Anpfiff dermaßen im Fokus. Das überrascht aufgrund der immensen wirtschaftlichen und sportlichen Bedeutung sicher nicht. Doch längst nimmt der Fußball auch in sozial-politischen Diskussionen eine wichtige Rolle ein.
Nicht erst die Diskussionen um den Leistungsdruck nach dem Suizid von Torwart Robert Enke vor fünf Jahren und dem Suizidversuch des Schiedsrichters Babak Rafati haben dies gezeigt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) rief damals zu mehr Respekt und Achtung auf. Solche Beispiele verdeutlichen, dass Fußball neben dem rein sportlichen Charakter ein soziales Potenzial entwickelt hat, das genutzt werden muss.
Da wäre zunächst die unmittelbarste Funktion, das Gesellige. Fußball bringt Menschen zusammen – ob im Stadion, in der Bar oder den eigenen vier Wänden. Wichtige Spiele werden bei Bratwurst und Bier gemeinsam geschaut: Das Spiel ist der Anlass, aber an solchen Treffen oft nicht das Wichtigste. Freilich, es gibt Ausnahmen, bei denen rivalisierende Fans den Sport vergessen und – oft angestachelt durch zu viel Alkohol – aufeinander losgehen. Der positiven Wirkung des Fußballs tut das aber dann keinen Abbruch, wenn es sich dabei um Ausnahmen handelt.
Außerdem wird in den Stadien auf dem kleinen grünen Spielfeld gezeigt, was eine Gesellschaft bewegt. Wie unter einer Lupe treten soziale Probleme teils deutlich hervor. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Debatten geführt: Angestoßen durch besondere Vorfälle entbrannten beispielsweise Diskussionen über Rassismus, Integration oder eine Doppelmoral, die erst kürzlich am Beispiel von Uli Hoeneß eklatant zutage trat. Ereignisse im Fußball haben aufgrund der mittlerweile engen Verflechtungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eine breite Wirkung. Missstände, die auf der Fußballbühne auftauchen, werden kurze Zeit später im Großen behandelt. Oder umgekehrt, wie die Debatte um die Homophobie zeigt, die erst mit zeitlicher Verzögerung im Leistungssport Einzug fand.
Die Relevanz gilt sowohl für die Profi- als auch Amateurebene: Trainer, Funktionäre und ehrenamtliche Mitarbeiter haben eine Vorbildfunktion – vor allem für Kinder und Jugendliche. Sie leben Normen und Werte vor, an denen sich viele orientieren.
Außerdem bewirken sie Konkretes: Die vom DFB initiierten Projekte haben eine partizipative, demokratische Wirkung. Allein aufgrund der rund 6,7 Millionen Mitglieder steht der größte Sportverband der Welt in einer besonderen Verantwortung. Fußball regt abseits von Wettkampf und Wirtschaft zu sozialem Wandel an.
Die mediale Inszenierung der schönsten „Nebensache der Welt“ hilft dabei: Sie sensibilisiert und schafft eine Öffentlichkeit für politische und gesellschaftliche Probleme. Dass der Fußball diese dann löst, ist nicht zu erwarten. Sport bleibt immer noch Sport, darf in seiner Bedeutung nicht überhöht werden (was heutzutage leider schon zu häufig passiert) und kann zunächst nur Aufmerksamkeit erregen. Dann aber müssen Politiker, Institutionen und Bürger reagieren.
Heute Abend steht zwar einzig der Sport im Fokus, doch die sozial-politische Bedeutung des Fußballs steigt weiter.