Ein Jahr später ist die sozialliberale Koalition am Ende. Helmut Kohl wäre nach sieben Jahren als Kanzler 1989 um ein Haar von Lothar Späth, Ernst Albrecht, Heiner Geißler und Rita Süßmuth aus dem Amt geputscht worden. Ihn rettet lediglich die Unfähigkeit seiner Gegner, ihre Pläne geheim zu halten. Wenig später fällt die Mauer – und Kohl wird Kanzler der Einheit.
Angela Merkel ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Nach sieben Jahren als Regierungschefin kann es in Deutschland allenfalls noch Günther Jauch an Popularität mit ihr aufnehmen. Beim Parteitag der CDU, der am Montag in Hannover beginnt, muss sie keine innerparteilichen Widersacher fürchten und auch keinen größeren Streit über Programme und Positionen. So kurz vor der Wahl in Niedersachsen hat die Kanzlerin ihrer Partei größtmögliche Harmonie verordnet – und die folgt ihr bereitwillig. Jeder Christdemokrat weiß: Die aktuellen Umfragewerte von mehr als 38 Prozent hat die Union vor allem Angela Merkel zu verdanken. Sie ist, wenn man so will, die CDU.
Zwölf Jahre Parteivorsitzende, sieben Jahre Kanzlerin – und weit und breit kein potenzieller Nachfolger und keine potenzielle Nachfolgerin in Sicht. In ihrer unaufgeregten, abwartenden Art hat Angela Merkel sich mit der Zeit unentbehrlich gemacht in der CDU. Roland Koch, der knorrige Konservative? In die Bauindustrie abgewandert. Christian Wulff, der Leise? An sich selbst gescheitert. Friedrich Merz, der Ehrgeizige? Arbeitet wieder als Anwalt. Wer immer sich schon als Kronprinz sah oder fühlte – Angela Merkel hat sie alle ausgehalten, ausgebremst oder einfach nur ausgewechselt wie im Frühjahr ihren Umweltminister Norbert Röttgen.
Nach dem verflixten siebten Jahr im Amt ist die Kanzlerin mächtig wie nie. So lange sie nicht die Lust an der Politik verliert, sich keinen Burnout einfängt oder gar von Peer Steinbrück abgelöst wird, ist das auch kein Problem für die CDU, die sich seit jeher über ihre Kanzler definiert und auch nicht so zur Nabelschau neigt wie andere Parteien. Auf den Tag nach Merkel, so fern der noch sein mag, ist sie allerdings nur unzureichend vorbereitet.
Sozialministerin Ursula von der Leyen gilt zwar als gefühlte Nummer zwei der Partei und traut sich auch das Kanzleramt zu – ihr eher sozialdemokratisches Verständnis von Politik aber empfinden schon jetzt viele Konservative als Verrat an den eigenen Prinzipien. Andererseits erweitert genau dieses pragmatische, weitgehend ideologiefreie Denken den strategischen Spielraum der Union enorm: Mit Christdemokraten der Generation Merkel wäre eine schwarz-grüne Koalition kein Kulturschock, sondern ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Grüne wie Schwarze würden sich damit aus ihrer babylonischen Abhängigkeit von Sozialdemokraten beziehungsweise Liberalen befreien.
Politik ist für Angela Merkel keine Frage des Standpunktes, sondern die Kunst des Möglichen. Dass sie im Bundesrat kaum noch ein Gesetz durchbekommt, das hält sie genauso aus wie eine mögliche weitere Niederlage der CDU in Niedersachsen.