Es gibt auch gute Nachrichten aus Afghanistan. Der neue Präsident Ashraf Ghani Ahmadsai wurde in freien Wahlen ermittelt. Sein unterlegener Gegenkandidat Abdullah Abdullah steht an der Spitze der Regierung der Nationalen Einheit. Nur, bis zu dieser salomonischen Gewaltenteilung bedurfte es massiven Drucks von außen. Und der Burgfrieden ist brüchig.
Auch die Menschenrechtslage wie die Situation der Kinder, Mädchen und Frauen hat sich verbessert. Viele Verbesserungen stehen aber lediglich auf dem Papier. Gerade auf dem Land hat sich an den archaischen Clan-Strukturen nichts geändert. Nicht die staatlichen Behörden und die Justiz, die zudem als wenig effektiv und äußerst korrupt gelten, sondern Clan-Chefs, Dorfälteste oder religiöse Autoritäten haben das letzte Wort. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, nur die Opiumproduktion blüht. Die Taliban sind so stark wie nie, Anschläge an der Tagesordnung.
Die internationale Gemeinschaft weiß dies alles. Im neuesten Afghanistan-Fortschrittsbericht, den die Bundesregierung im November vorlegte, werden alle Probleme in ungewöhnlicher Offenheit und Klarheit benannt. Und doch endet zum Jahreswechsel der von der Nato geführte Kampfeinsatz am Hindukusch, nach zwölf Jahren ziehen sich die internationalen Truppen zurück. Auch die Bundeswehr, von Anfang an mit einem starken Kontingent vertreten, verlässt das Land. Künftig werden nur noch maximal 850 Ausbilder und Unterstützungskräfte im Einsatz sein, um die afghanischen Soldaten und Polizisten zu schulen und zu beraten. Die Botschaft könnte doppeldeutiger nicht sein. Einerseits drängt man darauf, dass Afghanistan für seine Ordnung und Sicherheit selbst sorgt. Auf der anderen Seite ist offensichtlich, dass das Land das alleine nicht schafft und weitere Hilfe benötigt. Auch und gerade Soldaten.
Doch der Westen ist kriegsmüde geworden und resigniert. Nach zwölf Jahren fällt die Bilanz mager aus, die Erwartungen waren zu hoch, die selbst gesteckten Ziele konnten nicht erreicht werden. Das unzugängliche Bergland, das sich schon immer fremden Besatzern widersetzt hat, lässt sich nicht so einfach in einen modernen Staat verwandeln, zu stark sind die traditionellen Strukturen. Zudem haben sich die Krisen- und Kriegsgebiete verschoben. Mag Afghanistan auch weiter Heimat der Taliban sein, die weitaus größere Gefahr geht derzeit von den Rebellen des IS im Irak und in Syrien aus. Der einstige Hotspot Afghanistan rückt somit wieder, wie die meiste Zeit seiner Geschichte, ins Abseits und Vergessen. Die Strategie der Taliban, die westliche Besatzung auszusitzen, geht auf.
Die Bundeswehr ist durch den Einsatz eine andere geworden. 52 Soldaten starben, Hunderte wurden verletzt oder kehrten schwer traumatisiert zurück. Ein hoher Preis. War er das wert? Die Politik zieht daraus ihre Lehren und sucht andere Wege, sich in Krisenregionen zu engagieren, ohne Kriegspartei zu werden und das Leben ihrer Soldaten aufs Spiel zu setzen. Symptomatisch dafür ist der Umgang mit dem IS: Die Regierung stattet die Kurden mit Waffen und anderem Kriegsgerät aus und schickt Ausbilder, doch die Kampfsoldaten bleiben zu Hause.
Afghanistan ist eine Zäsur. So schnell und unbedarft wie im Dezember 2001 wird keine Regierung mehr deutsche Soldaten in ein Kriegsgebiet entsenden.