Ob Geschichtsmuseum, Dürer-Bild oder Münchner Konzertsaal – in Bayern wird derzeit leidenschaftlich über Kulturpolitik gestritten. Seit November ist der Würzburger Oliver Jörg Vorsitzender des Kunstausschusses im Landtag. Mit dieser Zeitung spricht der CSU-Politiker über Kulturzentralismus, seine Forderungen an Minister Heubisch – und die politischen Voraussetzungen für eine „Isar-Philharmonie“.
Oliver Jörg: Im Grundsatz nicht. Man kann an vielen guten Beispielen belegen: Die Kultur in Bayern lebt in den regionalen Räumen – überall vor Ort. Aber es gibt auch eine bayerische Seele, die sehr genau darauf schaut, dass sich alle Landesteile gleichmäßig entwickeln. Das ist ja gerade in der Kulturpolitik ein berechtigtes Anliegen. Und symbolträchtige Entscheidungen wie zuletzt heizen diese Debatten natürlich an. Kulturpolitiker sind gut beraten, sehr ernst zu nehmen, was die Menschen hier bewegt.
Jörg: Ich plädiere für mehr Pragmatismus. Wir erleben doch, dass attraktive, befristete Sonderausstellungen große Publikumsmagnete sind – ob es die Landesausstellungen sind oder jetzt die große Dürer-Schau in Nürnberg. Alle Museen, ob groß, ob klein, müssen sich um Sonder-Events bemühen, um Menschen für Kultur zu begeistern. Das kann aber nur gelingen, wenn alle Kultureinrichtungen in Bayern unkompliziert zusammenarbeiten. Für unberührbar erklärte Sperrbestände, wie sie die Münchner Pinakotheken aufgelistet haben, lehne ich deshalb ab. Denn ich glaube nicht, dass die Identität eines Museen in Gefahr ist, wenn einzelne Stücke zeitweise verliehen sind.
Jörg: Ich möchte in der Tat keine Debatten mehr nur um der Debatten willen. Wir müssen uns doch fragen: Wie können wir nicht zuletzt junge Menschen immer wieder für eine Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur, mit unserer Geschichte begeistern. Diese Überlegung muss im Zentrum aller Diskussionen stehen.
Jörg: Selbstverständlich. Sonst gäbe es ja den Streit gar nicht. Das beginnt doch schon mit der Frage, warum bestimmte Gegenstände nicht ausgeliehen werden: Warum hat man jüngst beim Dürer-Bild nicht gleich gesagt, dass es konservatorische Probleme gibt? Hätte man dies sofort glaubhaft klargemacht, hätte es den ganzen Ärger gar nicht gegeben. Das ist auch der Vorwurf, den ich dem Staatsgemälde-Direktor Klaus Schrenk machen muss: Hier ist die Argumentation von der völlig falschen Seite aufgezogen worden. Und das war absolut nicht hilfreich.
Jörg: Ich erwarte mir mehr Initiative vom Minister – auch weil die Kulturpolitik die Menschen in Bayern ganz offensichtlich sehr bewegt. Ich will kulturelle Vielfalt politisch mitgestalten und nicht nur verwalten. Ich wünsche mir deshalb, dass er eine breite Diskussion anstößt, wohin sich Kulturpolitik in Bayern entwickeln soll. Der Minister sollte Ansatzpunkte liefern, damit wir eine breite Debatte mit Kunstschaffenden, Kulturbegeisterten, mit den Trägern von Kultureinrichtungen und vielen anderen Gruppen beginnen können. Kultur kann man nicht verordnen. Kultur wächst im Dialog.
Jörg: Wenn wir diese Diskussion ernsthaft führen können, dann hat die Kultur in Bayern schon gewonnen. Dann wird nämlich klar, wie vielfältig Bayerns Kulturlandschaft ist. Und auch die Förderpolitik wird sich dann fragen lassen müssen, ob wir mit den bisherigen Vorgaben dieser Vielfalt wirklich gerecht werden können.
Jörg: Solch ein Vorhaben muss in jedem Fall eingebettet sein in ein kulturpolitisches Gesamtkonzept, das sowohl die Kultur in den Regionen wie auch die sogenannten „Leuchttürme“ umfasst. Ich will nicht, dass die Kosten für den Konzertsaal in München nur zur Beruhigung der Debatte aufgewogen werden mit vergleichbaren, aufaddierten Summen für eine Sanierung hier und einen kleinen Zuschuss dort. Unter solchen Vorzeichen will ich den Konzertsaal nicht. Ich will, dass wir zunächst eine offene Grundsatzdebatte führen. Und ich bin sicher: Ohne ein nachhaltiges Kulturkonzept für ganz Bayern wird es mit der Landtags-CSU keine „Isar-Philharmonie“ geben.
Oliver Jörg
Erst seit 2008 für den Stimmkreis Würzburg-Stadt im Landtag, hat es der CSU-Politiker Oliver Jörg bereits zum Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst gebracht: In der Folge der letzten Kabinettsumbildung rückte der 39-Jährige für den zum Kultus-Staatssekretär beförderten Parteifreund Bernd Sibler auf diesen Posten vor. Jörg stammt aus Aalen in Baden-Württemberg und lebt seit dem Jahr 2000 in Würzburg. Dort führt der studierte Jurist seit 2004 zusammen mit einem Partner auch eine eigene Rechtsanwaltskanzlei. Jörg ist verheiratet und Vater von drei Kindern. FOTO: Thomas Obermeier