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Krassnitzer: „Rechte punkten über Angstmache“
Das Gespräch führte Josef Karg
 |  aktualisiert: 30.05.2016 03:36 Uhr

In Österreich steht am Sonntag die Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten an. Das Ergebnis wird ein Signal sein, ob die Rechtspopulisten mit ihrem FPÖ-Kandidaten auf der Erfolgsspur bleiben. Der österreichische Schauspieler Harald Krassnitzer, der die Sozialdemokraten unterstützt, meint, es werde auf jeden Fall spannend werden.

Frage: Herr Krassnitzer, Sie sind ein politisch engagierter Mensch und haben oft in Wahlkämpfen Partei für die Sozialdemokraten ergriffen. Wie deuten Sie, was sich derzeit politisch in Wien ereignet?

Harald Krassnitzer: Gefühlsmäßig empfinde ich das als eine Katastrophe. Als Demokrat empfinde ich es nicht so einseitig. Die österreichische Politik wurde seit Jahrzehnten von SPÖ und ÖVP bestimmt. Das hat bei vielen Menschen, auch den liberal gesinnten und denen aus der Mitte, zunehmendes Unwohlsein erzeugt. Sie sind der Meinung, dass in Österreich politisch eine Art von Stillstand stattfindet, der für viele nicht mehr nachvollziehbar ist. Die haben ähnliche Ängste wie andere Menschen in Deutschland oder anderen Ländern Europas. So etwas führt dazu, dass populistische politische Kräfte Aufwind bekommen. Die Rechten versuchen über Angstmache Punkte zu gewinnen. Sie haben aber keine Lösungen.

Am Sonntag ist in Österreich die Stichwahl um das Bundespräsidentenamt. Wer wird das Rennen machen? FPÖ-Kandidat Hofer oder der Grüne Alexander van der Bellen?

Krassnitzer: Das wird spannend. Ich kann es nicht sagen, wie es ausgehen wird.

Warum, glauben Sie, stehen Rechtspopulisten derzeit so hoch im Kurs?

Krassnitzer: Der große Fehler ist: Die Regierungen bekämpfen Symptome, sie reden aber kaum über die Ursachen und behandeln sie auch nicht. Wir wissen, dass bei der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa aufgrund der Spätfolgen der Finanzkrise, aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten die Dinge auf uns einhageln, wie sie sind. Aber wir gehen nicht an die Lösung der Ursachen ran. Dazu kommt, dass das Bildungssystem bei uns in Österreich nicht mehr richtig funktioniert.

Was läuft im Bildungssystem Österreichs schief?

Krassnitzer: Wir haben inzwischen bis zu 15 Prozent Schulabgänger, die nicht mehr gescheit lesen oder rechnen können und zum Analphabetismus neigen. Da wächst eine Gruppe nicht Qualifizierter, die um immer weniger werdende Arbeitsplätze kämpft. Das sind die wahren Probleme. Aber unsere Regierung tut so, als gäbe es das alles nicht. Die einzige Antwort auf den Rechtspopulismus wäre eine vernünftige Politik, die versucht, die drängenden Probleme zu lösen.

Was stellen Sie sich denn konkret darunter vor?

Krassnitzer: Die Tatsache, dass man mit Finanzprodukten auch heute noch ein Vielfaches von den Realwerten verdienen kann, ist ein Unding. Dass Arbeit in Europa höher besteuert wird als Finanzprodukte, auch. Es ist Wahnsinn, dass ein Präsident der Europäischen Zentralbank Geld in die Unendlichkeit drucken und damit faule Anleihen aufkaufen kann, um die Banken mit Geld zu versorgen, statt es in Strukturfonds zu stecken und Forschung oder Innovation zu fördern. Eine Maxime des Kapitalismus lautet: Wer ins Risiko geht, muss auch die Verluste tragen. Bei uns wurden außerdem Verluste der Banken auf die Steuerzahler abgewälzt.

Das sind viele Sachen, die den Menschen aufstoßen und nicht mehr nachvollziehbar sind. Und ja, das alles hat mit Politik zu tun. Das sind auch Gründe dafür, warum es eine so große Angst und Verunsicherung gibt.

Sehen Sie in dieser Verunsicherung einen der Hauptgründe für den Erfolg der Rechtspopulisten?

Krassnitzer: Ja. Es gab in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg immer eine Prämisse: Es muss unseren Kindern einmal besser gehen. Es ist das erste Mal, dass wir dieses Versprechen nicht mehr geben können. Denn wir leben bereits von der Substanz, auch der Mittelstand. Und dann ist es für Populisten einfach, das an den Schwächsten der Schwächsten, den Flüchtlingen, auszutragen und die Schwächsten gegen die Schwachen, die Arbeitslosen, auszuspielen. Das ist keine Lösung.

Welche Rolle spielen dabei Flüchtlingskrise und Integrationsprobleme?

Krassnitzer: Es gibt zig Beispiele von gelungener Integration. Und Beispiele, wo es nicht klappt. Die Probleme liegen aber oftmals nicht allein bei den Migranten. Wenn Sie selbst einmal die Bescheide durchlesen, die Asylbewerber bekommen, werden Sie feststellen, dass Sie die selber nicht verstehen. Die Beamten verstehen sie wahrscheinlich selbst nicht. Wir scheitern an unserer überbordenden Bürokratie! Wir brauchen viel mehr pragmatische Lösungen, die Menschen, die hier ankommen, in Arbeit zu bringen.

Was würden Sie der österreichischen Regierung angesichts des Bergs von Problemen empfehlen?

Krassnitzer: Einen Masterplan. Dazu gehört eine Bildungsreform, die diesen Namen verdient. Wir haben in Österreich eines der teuersten Schulsysteme der Welt, das es sich leistet, zehn bis 15 Prozent Analphabeten zu produzieren. Das ist ein Unding! Das verschulte Bachelorsystem an den Universitäten ebenso. Das hat nichts mehr mit Wissenschaft zu tun. Das ist rein ökonomisiert.

Sie haben in früheren Wahlkämpfen regelmäßig die SPÖ unterstützt. Warum verlieren gerade die Sozialdemokraten so stark an Boden?

Krassnitzer: Die Sozialdemokratie hat in vielen Bereichen die Glaubwürdigkeit verloren, für die sie angetreten ist. In Deutschland hat ihr Hartz IV sozusagen das Genick gebrochen, weil die Maßnahmen viele Leute in die Armut treiben. Ich glaube auch, dass die Sozialdemokraten zu wenig darauf dringen, die Finanzmärkte stärker zu regulieren. Man hat den Eindruck, die Sozialdemokratie hat vergessen, was sie ausmacht.

Was halten Sie für den richtigen Umgang mit Rechtspopulisten und deren Wählern?

Krassnitzer: Ich glaube nicht, dass es hilft, wenn wir Menschen, die AfD, FPÖ oder Front Nationale wählen, a priori als Faschisten bezeichnen oder sie für faschistoid halten. Ich würde einfach ihre Sorgen ernster nehmen und mir genauer anschauen, was ihr Schmerzkörper ist. Aber ein Generalverdacht gegen diese Menschen ist völlig falsch. Nur dort müssen klare Grenzen gezogen werden, wo es geboten ist.

Harald Krassnitzer

Der österreichische Schauspieler Harald Krassnitzer,ist in Deutschland insbesondere als „Tatort“-Kommissar Moritz Eisler und aus seiner Zeit als Sat.1-Bergdoktor bekannt. Der 55-Jährige lebt in Wuppertal, der Heimat seiner Ehefrau, der Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer, und bei Salzburg. AZ

 
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