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Kommentar: Zeit ist reif für einen "Aufstand der Anständigen"
Nach dem Attentat auf einen jungen Eritreer in Wächtersbach sind Zivilcourage und Entschlossenheit das Gebot der Stunde.
Eine Teilnehmerin an der Mahnwache 'Kein Platz für Rassismus' in Wächtersbach hängt sich ein Schild an. Ein 26 Jahre alter Mann aus Eritrea wurde in Wächtersbach von Schüssen schwer verletzt. 
Foto: Andreas Arnold, dpa | Eine Teilnehmerin an der Mahnwache "Kein Platz für Rassismus" in Wächtersbach hängt sich ein Schild an. Ein 26 Jahre alter Mann aus Eritrea wurde in Wächtersbach von Schüssen schwer verletzt. 
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:26 Uhr

Was ist nur los in unserem Land? Da setzt sich der Kasseler Regierungspräsident seit Jahren beherzt für eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen ein. Pure Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Doch Walter Lübcke kostete sein Engagement vor wenigen Wochen das Leben –ermordet von einem Rechtsradikalen. Und jetzt das Attentat von Wächtersbach: Ein 55-jähriger Deutscher schießt auf einen jungen Eritreer und verletzt ihn lebensgefährlich. Der Schütze hat sein Opfer nur wegen dessen Hautfarbe ausgewählt. Hass, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt breiten sich zunehmend in unserer Gesellschaft aus. Es ist höchste Zeit für einen "Aufstand der Anständigen", wie ihn der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 nach einem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge gefordert hatte.

Wie konnte es soweit kommen? Es mehren sich die Fakten, dass Hass und Häme in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben. Der Konfliktforscher Andreas Zick verweist darauf, dass allein zwischen 2014 und 2015 die dokumentierten Fälle von Volksverhetzung und Gewaltdarstellungen im Internet um das Dreifache gestiegen sind. Vor allem in den sozialen Netzwerken werden Menschen beleidigt, beschimpft, verunglimpft und erniedrigt. Die Hemmschwelle, den Worten auch Taten folgen zu lassen, sinkt spürbar.

Die AfD agiert als geistiger Brandstifter

Einer der Wegbereiter für diese besorgniserregende Entwicklung ist die AfD. Für den Göttinger Literaturprofessor Heinrich Detering ist das Muster der Partei klar erkennbar: "Die NS-Zeit aufwerten, Vernichtungsfantasien heraufbeschwören, die Demokratie als Feind beschwören –Intentionen der AfD, die sie mittels eines Jargons von Gangstern verfolgt."

Parteichef Alexander Gauland beherrscht diese Vorgehensweise aus dem Effeff. Das belegt ein Beispiel aus dem thüringischen Wahlkampf (2017) . Seinerzeit riet er den Zuhörern, die damalige Bundesintegrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) "mal ins Eichsfeld" einzuladen und ihr dann zu sagen, "was spezifisch deutsche Kultur ist". Danach komme sie hier nie wieder her, "und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Das Publikum quittierte die Entgleisung mit Applaus, vereinzelten Jubelrufen und dem hörbaren Wunsch, die "Volksverräter" zu erledigen. Für Detering steckt hinter Gaulands Aussage "eine Vernichtungsfantasie – gut zu erkennen an der Reaktion der Zuhörer dieser Rede". Die Gewaltforderung stelle sich ein, ohne dass sie ausgesprochen werden müsse.

Der Konfliktforscher Andreas Zick warnt zu Recht davor, dass solcher Hass gewaltbereite Menschen in einen gefährlichen Zustand von Wut versetzen kann. Die Emotion steuert dann das Handeln – mit den bekannten fatalen Folgen. 

Der Hass ist zum Glück noch keine Normalität

Zum Glück stehen wir diesem Trend zu menschenverachtenden Auswüchsen nicht hilflos gegenüber. Der rechtsextreme Angriff auf die Demokratie ist zwar im Gange. Doch der Hass ist keine Normalität. Noch nicht. Jetzt müssen Politik und Behörden handeln und strafbare Äußerungen im Netz konsequenter verfolgen. Der Staat muss sich wehrhaft zeigen, damit die Täter spüren, dass ihr zerstörerisches Treiben Folgen hat. Zu oft kommen sie ungestraft davon. Das untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Aber nicht nur der Staat, sondern wir alle sollten uns mit Zivilcourage zur Wehr zu setzen. Ja, es braucht einen "Aufstand der Anständigen", damit unsere liberale Demokratie nicht noch mehr ins Wanken gerät. Treten wir also entschlossen all jenen entgegen, die – wo auch immer – mit Hass und Ausgrenzung versuchen, unsere auf Toleranz, Freiheit und Gleichheit basierende Gesellschaft  zu zerstören.

 
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  • L. W.
    Deutschland ist ein Land

    der Mitläufer und nicht der aufrechten Bürger. Wenn eine Kita in Leipzig den Beschluss zurück nimmt Schweinefleisch vom Speiseplan zu nehmen dann löst schon die Erwähnung des Gedankens auf ungesundes Schweinefleisch zu verzichten mehr Empörung aus als die Mordtat eines Rechtsradikalen an einem zufälligerweise vorbei kommenden Schwarzafrikaner. Dafür ist dieses Forum hier ein guter Gradmesser.

    Man kann sicher sein auch ein neues radikales Regime würde genug aktive und passive Mitläufer finden um sein Programm durchzusetzen.

    Leider.
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  • H. F.
    Die Mitläufer sind bei den Lemmingen des linksgrünen Merkel-Systems zu suchen. Hass und Ausgrenzung erfahren meist nur die Kritiker dieses Systems.
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  • L. W.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Was ist denn an der aktuellen Regierung grün? Wäre sie das, würden wir dann nicht die Klimaschutz Ziele nächstes Jahr einhalten?

    Aber gut, für Sie gibt es scheinbar nur noch schwarz /weiß bzw. Freund /Feind....
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