"Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei das eine normale Sache." So begründete die Vorsitzende Richterin in Gießen 2017 das Urteil gegen eine Ärztin, die auf ihrer Webseite darüber informiert hatte, dass sie Abtreibungen vornimmt. Seitdem wird öffentlich wieder sehr viel diskutiert über den Paragrafen 219a, der es Ärzten verbietet, "Werbung" für Abbrüche zu machen. Das Justizministerium legte nun am Montag einen Gesetzentwurf vor, der den Paragrafen erweitern soll: Demnach sollen Ärzte über die Tatsache informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Das Werbeverbot als solches bleibt zwar, aber dennoch ist ein wichtiger Schritt gemacht.
Denn hat sich eine Schwangere für den Abbruch entschieden, kann sie nun leichter einen für sie richtigen Arzt für den Eingriff finden. Einen Arzt, dem sie sich in dieser ohnehin schwierigen Situation anvertrauen möchte. Aber: Für weitere Informationen sollen Ärzte wiederum auf neutrale Informationsangebote verlinken müssen. Ob sie straffrei selbst weitere Informationen zum Thema, etwa auf ihrer eigenen Webseite, anbieten dürfen, ist unterdessen weiter unklar. Von Rechtssicherheit kann mit diesem Entwurf keine Rede sein.
Paragraf 219a abschaffen?
Wer Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch sucht, der findet sie auch: Eine einfache Google-Suche mit dem Stichwort "Abtreibung" führt zu 1,7 Millionen Ergebnissen, darunter zu offiziellen Angeboten wie dem der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ob die Ärzte die Informationen selber aufbereiten oder an eine offizielle Stelle verweisen, macht da eigentlich keinen Unterschied.
Würde der Paragraf 219a komplett gestrichen, dürften Ärzte selbst Informationen zu Abtreibungen herausgeben. Dann wäre jedoch auch das sogenannte Anpreisen einer Abtreibung straffrei – und das würde Fragen zum "gesetzgeberischen Schutzkonzept für das ungeborene Leben" aufwerfen. So heißt es jedenfalls in dem Entwurf. Mit dieser Argumentation stellen die Väter und Mütter dieses Gesetzesentwurfs eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht. Würden Ärzte die Vorzüge einer Abtreibung lobend anpreisen? Würden sie ihre Patienten wegen eines "Vermögensvorteils" oder in "grob anstößiger Weise" über Abtreibungen informieren, wie es laut dem derzeitigen Gesetz verboten ist? Wir sollten unseren Ärzten zutrauen, dass sie uns sachliche und umfassende Informationen zur Verfügung stellen – wie eine neutrale Beratungsstelle auch. Es muss einen Unterschied geben zwischen "werben" und "informieren".
Ärzten mehr Vertrauen entgegen bringen
Und überhaupt: Auch wenn "Werbung" für Abtreibungen legal würde – es gäbe trotzdem Schutzmechanismen im Gesetz, die verhindern würden, dass schwangere Frauen sich leichtfertig für eine Abtreibung entscheiden. So muss die Schwangere vor der Abtreibung nachweisen, dass sie sich von einer anerkannten Stelle hat beraten lassen. Diese Beratung muss laut Gesetz "von dem Bemühen geleitet" sein, die Frau "zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen" und "Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen". Das Gesetz schließt dabei den Arzt, der den Abbruch vornimmt, als Berater aus – der kann sie also nicht wegen seines "Vermögensvorteils" von dem Abbruch überzeugen. Außerdem müssen zwischen der Beratung und dem tatsächlichen Eingriff drei Tage liegen. Eine gesetzlich verordnete Bedenkzeit, wenn man so will.
Solange es die freie Arztwahl gibt, sollte sich jede Schwangere auch bei dem Mediziner ihres Vertrauens über eine Abtreibung informieren können. Ein Arzt sollte seinen Patientinnen Informationen bereitstellen können, ohne eine strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Eine Abschaffung des Pragrafen würde einen Vertrauensbeweis gegenüber unseren Ärzten bedeuten – und mehr Selbstbestimmung für schwangere Frauen. Eine "normale Sache" ist ein Schwangerschaftsabbruch nie.