Die wiederaufgeflammte Debatte um das Tempolimit auf Autobahnen fällt in eine Zeit, in der das Auto an sich mitunter hysterisch diskutiert wird. Das macht sie spannend, selbst wenn alle Pros und Kontras längst ausgetauscht und keine neuen, besseren Argumente in Sicht sind.
Befürworter einer Begrenzung verweisen auf das durch „Rasen“ erhöhte Unfallrisiko sowie auf die höheren Emissionen. Dagegen stehen viele Statistiken. Die mit Abstand meisten schweren Crashs ereignen sich in der Stadt und auf der Landstraße. In Österreich (Tempolimit 130 km/h) sterben pro Kilometer mehr Menschen auf der Autobahn als in Deutschland. Das größte Risiko sind übrigens nicht die Straßengattungen, sondern die Fahrer, vor allem sehr junge und sehr alte.
Viele Autobahnabschnitte sind überdies ohnehin reglementiert – durch starre Begrenzungen oder schlicht durch massiven Verkehr. Ob es der Umwelt nennenswert hilft, wenn auf den paar verbleibenden „freien“ Kilometern niemand mehr schneller als 130 km/h fahren darf, ist unter Experten umstritten. Unzweifelhaft entstehen die großen ökologischen Probleme nicht da, wo der Verkehr rollt, sondern da, wo er steht.
Rückständig ist in Wahrheit die ganze Debatte
Noch schwerer haben es die Gegner eines Tempolimits. Gegen das Totschlagargument, jedes Verkehrsopfer sei eines zu viel, lässt sich kaum ankämpfen. Polemiker der anderen Seite verweisen an dieser Stelle gerne darauf, dass der Verzehr eines Schweinebratens ebenso gesundheits- wie umweltschädlich sei und folglich ebenso verboten gehöre. Bringt uns das weiter? Nein.
Selbst die industriepolitische Karte sticht derzeit eher nicht. Dass sich schnelle deutsche Premium-Wagen im Ausland möglicherweise schlechter verkaufen lassen, weil in ihrem Herkunftsland nicht mehr Vollgas gegeben werden darf? Kommt Auto-Gegnern oder gar -Neidern gerade recht. Das im Ausland anerkannte Gütesiegel „Tested on German Autobahn“ zählt zu Hause nicht viel. Die internationale Betrachtung gleitet ins Absurde ab, führt man sich vor Augen, welche weiteren Länder kein Tempolimit haben. Dann fallen Namen wie Somalia und Burkina Faso. Auf einer Stufe mit Deutschland! Soll heißen: genauso rückständig.
Rückständig aber ist in Wahrheit die ganze Debatte. Das Land hätte sie in den 70er, 80er Jahren führen sollen, als die Unfalltoten Jahr für Jahr die Einwohnerzahlen von Kleinstädten erreichten.
Das Autofahren, wie wir es kennen, hat seine Hochzeit hinter sich
Die Zukunft jedoch entscheidet sich nicht an dem Aufreger-Thema, ob Deutschland ein Tempolimit bekommt oder nicht. Es geht längst um viel mehr: Wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wie lässt sie sich ökologisch gestalten, ohne dass die individuelle Freiheit auf der Strecke bleibt?
Das sind die Fragen, die eine kontroverse, emotionale Auseinandersetzung viel eher rechtfertigen. Die Antworten, die sich bislang andeuten, weisen in eine Richtung: Das Autofahren, wie wir es kennen, hat seine Hochzeit hinter sich. Es wird sich radikal ändern.
Stichwort Elektromobilität. Anders als ein Benzintank verbietet eine Batterie Vollgas-Orgien. Die Energiereserven sind knapp, gängige Stromer aus gutem Grund durchweg abgeregelt. Stichwort Verkehrsmix. Für Überlandpassagen eignet sich die Bahn, wäre sie konkurrenzfähig, besser.
Stichwort Digitalisierung. Flexible Anzeigen leiten den Verkehr cleverer als starre Verbote. Für autonomes Fahren spricht ausgerechnet das geringere Unfallrisiko. Der Computer hat keinen Hang zum Rasen. Die Technik ist noch nicht ausgereift. Aber der Autopilot kommt. So lange hält Deutschland es ohne Tempolimit aus.