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Kommentar: Ohne Bargeld ist die Freiheit der Bürger ernsthaft gefährdet
Die Deutschen lieben ihre Scheine und Münzen. Mit Minuszinsen soll ihnen ihr bevorzugtes Zahlungsmittel jedoch madig gemacht werden. Das wäre eine kalte Enteignung.
„Geld ist geprägte Freiheit.“ Was der der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski bereits im 19. Jahrhundert formulierte, ist heute genauso aktuell.
Foto: Monika Skolimowska, dpa | „Geld ist geprägte Freiheit.“ Was der der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski bereits im 19. Jahrhundert formulierte, ist heute genauso aktuell.
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:42 Uhr

Die Deutschen hängen am Bargeld. Es ist ihr beliebtestes Zahlungsmittel. Verschiedene Umfragen belegen das. Nur etwa ein Drittel der Bundesbürger zahlt gerne mit Karte. Jeder Fünfte würde laut dem  Meinungsforschungsinstitut Civey einen großen Bogen um Supermärkte machen, wenn er dort nicht mit Münzen und Scheinen bezahlen könnte. Mobile Bezahlmöglichkeiten mit dem Smartphone kommen bislang nur für eine kleine Minderheit in Frage. Es ist also noch ein weiter Weg zur bargeldlosen Gesellschaft, wie sie der Internationale Währungsfonds (IWF) propagiert. Und das ist gut so! Denn Bargeld ist nicht einfach nur ein Zahlungsmittel, sondern gelebte Freiheit. Und außerdem ein wirkungsvolles Mittel gegen das Schreckgespenst vom gläsernen Bürger.

In Wahrheit geht es um die Kontrolle über das Geldvermögen der Bürger.

Die Verfechter des bargeldlosen Bezahlens sind davon überzeugt, dass es zum Beispiel Drogenhandel, Schwarzarbeit und Geldwäsche deutlich erschwert. Deshalb hat die Europäische Zentralbank Ende 2018 zum Beispiel den 500-Euro-Schein eingestampft. Eine Studie der Deutschen Bank bezweifelt allerdings, ob der Kriminalität damit  die Geschäftsgrundlage nachhaltig entzogen werden kann. Denn für illegale Transaktionen gebe es Alternativen zum Bargeld - auch wenn diese für die Täter mit höheren Kosten verbunden seien. In Wahrheit, so die Bank-Studie "Bargeld, Freiheit und Verbrechen – Bargeld in der digitalen Welt" gehe es um die Kontrolle über das Geldvermögen der Bürger in der Euro-Zone. Negative Zinsen ließen sich so beispielsweise besser durchsetzen. Solange Bargeld existiert, ist das kaum machbar.

Negative Zinsen sollen die Menschen zum elektronischen Bezahlen animieren

Der IWF plädiert deshalb dafür, in Volkswirtschaften, die von der Rezession bedroht sind, Minuszinsen einzuführen – von bis zu drei Prozent. In der Praxis bedeutet das: 100 Euro auf dem Konto wären nach einem Jahr nur noch 97 Euro wert. Logische Konsequenz einer solchen Abwertung: Kunden würden ihr Geld von der Bank abheben und daheim aufbewahren. Doch auch für diesen Fall hat die IWF eine Empfehlung: Bei Negativzinsen von drei Prozent soll Bargeld als „Parallelwährung“ zum elektronischen Geld ebenfalls um drei Prozent pro Jahr entwertet werden. Dadurch wäre es kein Vorteil mehr, sein Erspartes unterm Kopfkissen zu deponieren. Denn beides, elektronisches Geld auf Bankkonten und Bargeld, würde jährlich jeweils drei Prozent an Wert verlieren. Schwer vorstellbar, dass solche Pläne in Deutschland mehrheitsfähig sind. Das wäre eine kalte Enteignung der Bürger - mit unabsehbaren Folgen.

Wer mit Schein und Münzen einkauft, hinterlässt keine Datenspuren.

Es gibt noch einen weiteren triftigen Grund, nicht allein auf digitale Bezahlmöglichkeiten zu setzen: "Geld ist geprägte Freiheit." Was der der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski bereits im 19. Jahrhundert formulierte, ist heute genauso aktuell. Bar­geld er­mög­li­cht Gleich­heit und Teil­ha­be, da es für alle Be­völ­ke­rungs­schich­ten zu­gäng­lich ist. Der ehe­ma­li­ge Bun­des­ver­fas­sungs­rich­ter Udo Di Fabio warnt deshalb: "Wir dür­fen den Bür­ger nicht in ein Sys­tem zwin­gen, wo er un­un­ter­bro­chen Spu­ren hin­ter­lässt." Eine Ab­schaf­fung des Bar­gelds sei "ein Ver­stoß gegen die Pflicht des Staa­tes, eine ge­eig­ne­te In­fra­struk­tur zum Schutz von Per­sön­lich­keits­rech­ten zu er­hal­ten". 

Wer mit Schein und Münzen einkauft, hinterlässt keine Datenspuren. Deswegen muss es im Privatleben weiter möglich sein, damit zu zahlen. Die Chancen stehen nach Ansicht des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, aus juristischer Sicht gut. Denn: Wer den Leuten das Bargeld nehmen will, vollziehe damit einen "nicht gerechtfertigten Eingriff in Freiheitsrechte, nämlich in die Vertragsfreiheit und Privatautonomie". 

Also: Finger weg vom Bargeld! Jeder Bundesbürger muss weiterhin selbst entscheiden können, auf welche Weise er bezahlt. 

 
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  • T. R.
    Man sollte die gelbe Weste anziehen und der EZB wegen der Enteignung durch Minuszinsen und den Plänen für die Bargeldabschaffung mal richtig zeigen,"wo der Frosch die Locken hat !"
    Und unsere Regierung die in ihrem Amtseid geschworen hat, dass sie Schaden vom deutschen Volke abwendet, schaut tatenlos zu.
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  • B. D.
    Es gäbe da noch eine Alternative: Wir begeben uns zurück in die Steinzeit. Bauer A zahlt mit Fleisch, Bauer B mit Getreide oder Obst, dafür bekommt er vom Schreiner mal ein Fenster neu verglast usw. Wer mit seinem Beruf keine Möglichkeit hat mit Naturalien zu bezahlen, muss eben Rasen mähen oder die Oma vom Bauern C pflegen. Unser Lebensstandard würde zwar erheblich sinken, aber Äpfel aus Chile schmecken auch nicht besser als die vom Nachbarn.
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  • D. K.
    Es ist doch einfach nur pervers was aus Geld geworden ist.
    Geld sollte Zahlungsmittel sein, für Waren und Dienstleistungen.

    Die „Finanzindustrie“ hat es zur Ware gemacht.

    Dabei schafft diese Industrie keine Werte, sie vermehrt Geld einfach so.

    Sie ist dadurch so mächtig geworden dass kaum noch jemand dieses System in Frage stellt.

    Besonders verwerflich dabei ist dass „Finanzprodukte“ nicht den Regel richtiger Produkte unterliegen: Steuern und Produkthaftung gelten für sie nicht.

    Vorausschauend denken und Vorsorge treffen waren eine Tugend, jetzt wird dieses kluge Handeln mit Negativzinsen bestraft.

    Um den Konsum zu steigern werden Menschen werden dazu angehalten nicht mehr zu sparen oder besser noch sich zu verschulden, denn daran kann die Finanzindustrie auch noch verdienen.

    Hier wird dem Konsum alles untergeordnet, selbst die Vernunft.
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  • H. F.
    Ein sehr guter Leitartikel, dem ich fast in vollem Umfang zustimmen kann.

    Kürzlich gab es in der Mainpost schon mal einen Artikel zum Thema Bargeld:

    https://www.mainpost.de/ueberregional/politik/hintergruende/Die-Liebe-der-Deutschen-zum-Bargeld-schwindet;art506798,10297425

    Im Forum äußerte ich eine sehr ähnliche Einschätzung wie dieser Leitartikel. Das wurde dann von einem anderen Mitforisten als "Verschwörungstheorie" abqualifiziert und als AfD-Meinung eingestuft. Es fielen sogar Worte wie "Totalitär", "Faschistisch", "Nazi" (es ist sowieso auffällig, wie oft manche in diesem Forum mit diesen Worten um sich werfen).

    Mal sehen, ob dieser Mitforist das nun mit Ihnen auch macht, Herr Reinhard.

    Bargeld ist Freiheit.
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  • D. K.
    Diese Diskussion ist in Parteipolitik abgedriftet.

    Zwar ist es tatsächlich so dass in erster Linie totalitäre Regime eine totale Überwachung anstreben, man braucht aber keine Verschwörungstheorien um eine Bargeldabschaffung als reale Gefahr auch in Demokratien zu erkennen.

    Es gibt mächtige Interessengruppen die eine Bargeldabschaffung befürworten.

    Dies lässt sich logisch erklären:

    Finanzindustrie, weil sie dadurch einfach mehr verdienen kann.

    Handelskonzerne, da Bargeld für sie Kosten bedeutet. Wenn sie dies sparen können haben sie gegenüber kleineren Anbietern, für die Bargeld normal ist, einen weiteren Kostenvorteil.

    Und natürlich Law and Order Politiker und Strafverfolgungsbehörden. Das sollte aber niemanden beunruhigen. Wenn man Nichts falsch macht hat man auch nichts zu befürchten

    Etliche Politiker und Wirtschaftsforscher unterstützen bereits die Abschaffung öffentlich.
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  • H. F.
    Alles soweit richtig, aber bei Bargeldabschaffung in Kombination mit Negativzinsen kann man der Entwertung seines Geldes nicht mehr entgehen, indem man Bargeld abhebt und hortet.
    Unseren Politikern und der EZB werden sowieso schon bald Methoden einfallen, den Leuten das Bargeld madig zu machen: Steuern auf Barabhebungen bzw Zusatzgebühren bei Barzahlungen oder ähnliches.
    In den Hinterzimmern laufen sicher schon die Planungen auf Hochtouren, auch wenn manche noch meinen das seien Verschwörungstheorien der AfD.
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