Wenn man versucht, die Sozialdemokratin Sabine Dittmar im großen Berliner Politzirkus einzuordnen, kommt man an einer Person nicht vorbei: ihrem Parteifreund Karl Lauterbach. Noch ehe irgendwo Mikrophone eingeschaltet sind und Kameras laufen, ist der Mann schon zur Stelle, um für die SPD alle gesundheitspolitische Fragen von Abrasio uteri bis Zöliakie zu beantworten. Tatsächlich war Medizin-Professor Lauterbach in den letzten Monaten das meist gesehene Gesicht in TV-Talkshows zum Thema Corona.
Was hat das mit Sabine Dittmar zu tun? Sehr viel, wenn man bedenkt, dass nicht besagter Genosse, sondern die Ärztin aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen) die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag ist. Und anders als er auch im dortigen Gesundheitsausschuss sitzt. Somit stellt sich die Frage, wieso sie Lauterbach nicht längst am Kragen gepackt hat, welchen seriösen Quellen zufolge nur noch selten eine Fliege ziert, weil er fortan auch bei jüngerem Publikum besser ankommen möchte. Warum also spricht Dittmar nicht mal Tacheles und erklärt zum Beispiel: "Karl, am Sonntagabend bleibst Du zuhause und ich gehe zu Anne Will."
Als Gesundheitsexpertin Anerkennung über Parteigrenzen hinaus
Antwort: Weil die 56-jährige Unterfränkin kein Showmensch ist. Sondern reine Sachpolitikerin. Das große Tamtam ist ihr zuwider, erst recht, wenn es um ihre eigene Person geht. Dittmar und Lauterbach, beide sind Ärzte und beide fast gleich alt, fachlich dürfte sie ohne Weiteres auf Augenhöhe mit dem selbsterkorenen Sprachrohr auf Lebenszeit sein. Ihre Expertise in der Gesundheitspolitik wurde schon im bayerischen Landtag geschätzt, gleiches gilt unter der Reichstagskuppel, und zwar bei Freund und Feind.
Haben Frauen gegen Machos wenig Chancen?
Dass Lauterbach seine Parteifreundin in deren ureigenster Funktion praktisch zum Schweigen bringt, zumindest aber aus dem öffentlichen Bewusstsein drängt, wirft ein merkwürdiges Licht auf den Politikbetrieb insgesamt: Offensichtlich können selbst in der SPD, die sich so betont emanzipiert gibt, Machos Frauen einfach wegbeißen. Freilich gibt es auch Alpha-Tiere unter den Genossinnen, siehe Manuela Schwesig oder Malu Dreyer. Aber Frau per se hat es deutlich schwerer, in der Partei auf sich aufmerksam zu machen und in der Hierarchie nach oben zu klettern.
Zweitens stellt sich in so einem Zusammenhang immer wieder Frage, wer eigentlich gute Politik macht: Der Showmensch, der auf jeder Bühne tanzt, oder die Arbeitsbiene, die die Sacharbeit vorantreibt. Sicherlich bedarf es beider Charaktere, nur dass den Unterhaltungskünstlern mit ihrem Riesenego ein wenig zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird und die wackeren Parteisoldaten dann schnell unter dem Radar verschwinden.
Jetzt sind härtere Ellenbogen gefragt
Zu Fragen in obiger Richtung wolle sie sich lieber nicht äußern, hieß es dieser Tage aus Dittmars Büro. Auch das sagt viel über sie aus. Lauterbach hätte vermutlich verwundert gefragt, wo da ein Problem sein soll. Obgleich Bescheidenheit also eine Zier ist, sei Sabine Dittmar deshalb geraten, sich für eine mögliche weitere Legislaturperiode in Berlin etwas härtere Ellenbogen anzutrainieren, auch oder gerade zur innerparteilichen Anwendung. Die beste Sacharbeit will ab und an auch mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein von jenen nach außen hin vertreten sein, die sie geleistet haben. "Klappern gehört zum Handwerk", war ein Lieblingsspruch von Susanne Kastner, die es als Unterfränkin bis zur Bundestagsvizepräsidentin geschafft hat. Und wer gelernt hat, mit Skalpell und Stethoskop umzugehen, der sollte es eigentlich auch schaffen, es ab und an richtig Klappern zu lassen.
P.S. Man munkelt, dass Karl Lauterbach seinen Unterhaltungswert beim Publikum allmählich arg überstrapaziert. Da wäre doch jetzt mal die passende Gelegenheit?