Jens Spahn macht ernst: Eine Impfpflicht für Kinder, Erzieher, Lehrer und das Personal von Krankenhäusern und Arztpraxen soll her. Nicht geimpften Kindern drohen der Ausschluss aus der Kindertagesstätte und den Eltern schulpflichtiger Kinder saftige Strafen bis zu 2500 Euro. Der Bundesgesundheitsminister will ab März 2020 die Masern-Impfung zur Pflicht erklären. Schießt er damit über das Ziel hinaus?
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Nein, im Gegenteil! Denn die Impfung gegen die gefährliche Krankheit darf nicht von der Einsicht und der Vernunft einiger Eltern abhängen. Wer die Masern-Impfung verhindert, schadet nicht nur seinem eigenen Kind, sondern auch allen Menschen in dessen Umgebung. Nicht geimpfte Kinder können etwa Säuglinge, die noch zu klein sind, um geimpft zu werden, mit Masern anstecken.
Masern sind hoch ansteckend und können tödlich enden
Masern sind hoch ansteckend. Die Viren verbreiten sich über die Luft. Am häufigsten erkranken Kinder. Neben Fieber und Hautausschlag können Masern lebensgefährliche Entzündungen auslösen. 2015 starben weltweit jede Stunde 15 Menschen an Masern. Etwa einer von tausend Erkrankten stirbt, so das Robert-Koch-Institut. Besonders gefährdet sind Säuglinge. Eines von 609 Babys, das sich mit Masern ansteckt, erkrankt an einer Hirnentzündung, die noch bis zu acht Jahre nach der Infektion auftreten kann. Die Folge: Das Kind hat einen bleibenden Schaden, liegt im Wachkoma oder stirbt.
Nur wenn die Bevölkerung flächendeckend zu mindestens 95 Prozent geimpft ist, kann die Krankheit ausgerottet werden. In Deutschland schwankt die Impfquote seit Jahren zwischen 89 und 96 Prozent. 2017 hatten mehr als 97 Prozent der eingeschulten Kinder die erste Masernimpfung (für Kinder ab einem Jahr), doch nur 92,8 Prozent die wichtige zweite Impfung, die bis zum zweiten Geburtstag des Kindes erfolgen soll. Das heißt: Die meisten Eltern sind keine überzeugten Impfgegner, sondern vergessen schlicht den zweiten Termin beim Kinderarzt, um den Schutz zu vervollständigen.
Jeder hält es für fahrlässig, sein Kind unangeschnallt in ein Auto zu setzen. Doch beim Thema Impfen setzt manchmal der gesunde Menschenverstand aus. Zu viele Gerüchte und Verschwörungstheorien kursieren hartnäckig in so mancher Eltern-Whatsapp-Gruppe. Sie sind bis heute unbelegt und teils auch widerlegt.
Gerüchte über Nebenwirkungen halten sich hartnäckig
So das Gerücht, der MMR-Impfstoff (gegen Mumps, Masern, Röteln) verursache Autismus. Die Lüge geht auf manipulierte Studien des ehemaligen Arztes Andrew Wakefield 1998 zurück. Wakefield wurde in Großbritannien seine Zulassung aberkannt. Seine Ergebnisse wurden mehrfach widerlegt. Trotzdem verbreitete Donald Trump 2014 via Twitter Wakefields Thesen.
Fakt ist: Die Masernimpfung ist gut verträglich und deutlich weniger riskant als die Erkrankung selbst. Sie schützt zweifach Geimpfte in bis zu 99 Prozent der Fälle vor der Infektion.
Viele Impfgegner verweisen zudem auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der die körperliche Unversehrtheit eines jeden garantiert. Doch Hand aufs Herz: Ist es schlimmer, wenn das eigene Kind einen kleinen Pieks bekommt - oder sich an einer hoch ansteckenden und teils tödlich verlaufenden Krankheit ansteckt und darüberhinaus die Gesundheit anderer Kinder gefährdet?
Aufklärung ist super, Freiwilligkeit noch besser. Doch wie wahrscheinlich ist es nach jahrelangen Aufklärungskampagnen, dass endlich mehr als 95 Prozent der Eltern etwas freiwillig tun, das Zeit und Mühe kostet und für ihr Kind erst einmal mit Schmerzen verbunden ist?
Für die Pocken, eine der tödlichsten Krankheiten der Menschheitsgeschichte, schrieb die Weltgesundheitsorgansisation WHO ab 1967 die weltweite Impfpflicht vor. Seit 1980 ist die Krankheit ausgerottet. Dass wir es in Deutschland mit den Masern noch nicht geschafft haben, ist ein Armutszeugnis. Allein in den ersten drei Monaten 2019 gab es in Bayern 34 Masern-Fälle. Immer noch sterben Kinder an der Krankheit. Das darf so nicht weitergehen: Eltern, macht endlich Schluss mit dem Impf-Theater!